Hundsrose, Hagebutte

Hundsrose, Hagebutte

Die in der Harzregion am häufigsten wild wachsende Rosenart ist die Hundsrose bzw. Hagebutte [ROSA CANINA], die zu den Rosengewächsen [ROSACEAE] gehört. Der Wildrosenstrauch ist keine Pflanze der Gebirgslagen. Am hügeligen Harzrand, im Vor- und Unterharz ist die Hundsrose jedoch recht häufig anzutreffen. Der aufrechte Strauch bildet lange, bogig überhängende Äste und Zweige. Im Hochsommer haben die weißen oder zart rosa einfachen ungefüllten Blüten ihren eigenen urwüchsigen Reiz.

Wenn der Maler Herbst auf der Leiter steht und wir zu den dem Harz vorgelagerten Höhenzügen wandern, leuchten uns schon die roten prägnanten Früchte von weitem entgegen. Sie bleiben oft den ganzen Winter über am Strauch und sind trotz Frost immer noch genießbar. Sie schmecken roh süßlich-säuerlich. Die Bezeichnung Hag [von Hecke] weist auf das Vorkommen des Strauches an Hecken hin, während Butte dem süddeutschen Butzen [Verdickung] entspricht. Die lateinische Bezeichnung canina oder das griechische Kynosbatos von kyon=Hund und batos=strauch sei nach Plinius auf einen Orakelspruch zurückzuführen, der auf der Suche nach einem Mittel gegen Bisse tollwütiger Hunde auf die stark gerbstoffhaltigen Wespengallen hinwies. So steht Hundsrose für Wildrose ganz allgemein,das meint »hundsgemein«.

Zeichnung einer Hundsrose, Hagebutte
Zeichnung einer Hundsrose, Hagebutte

Als Heilpflanze ist die Hundsrose bisher unterschätzt worden

Kaum eine andere Frucht beinhaltet so viel Vitamin C, Pektine, Fruchtsäuren und Gerbstoffe. Bei der Hagebutte handelt es sich um eine Sammelfrucht, die aus dem fleischigen Blütenboden entsteht. Die eigentlichen Früchte sind die Kerne oder Nüßchen, die bei Hautkontakt Juckreiz hervorrufen [Juckpulver]. Die wertvollen Inhaltsstoffe jedoch stecken in der prallen Verpackung der Wildfrucht. Die getrockneten Fruchtschalen als Tee dienen zur unterstützenden Therapie von Blasen- und Nierenleiden, stärken das Immunsystem bei Erkältungen.

In einer Gemeinschaftsstudie ist ein bisher unbekannter Aktivstoff in der Hagebutte identifiziert worden, ein sogenanntes Galaktolipid, das Menschen mit Gelenkerkrankungen Linderung verschafft. Die Schmerzen nehmen ab, die Beweglichkeit bessert sich, eine Zufallsentdeckung! Positive Erfahrungen eines Landwirtes mit regelmäßigem Verzehr von Hagebutten, die ihm Schmerzlinderung verschafften, veranlaßten die Wissenschaftler, sich eingehender mit der Hagebutte zu befassen.

Entkernte Hagebutten lassen sich zu Mark oder Mus verarbeiten

Weiche Früchte nach dem Frost sind dazu besonders geeignet. Mit wenig Wasser läßt man sie 20 Minuten köcheln, passiert, streicht die Masse durch ein Sieb, versetzt dieses Mark mit der gleichen Menge Zucker und setzt etwas Zitronenschale hinzu und erhitzt so lange, bis sich der Zucker gelöst hat – ein wirksames Heilmittel zur Nahrungsergänzung mit Vitamin C, das unser Körper selbst nicht bilden kann und welches für den Zellstoffwechsel aller Organe notwendig ist. Die Askorbinsäure beeinflußt ferner Fermentreaktionen und die Blutgerinnung und fördert die antivirale Wirkung des von den Zellen gebildeten Schutzstoffes Interferon. Von diesem Konzentrat nimmt man täglich zwei bis drei Teelöffel ein.

Für die Gelenke ist das Hagebuttenpulver wie folgt einzunehmen: Täglich zwei gehäufte Teelöffel in Joghurt oder Fruchtsaft einrühren und verzehren. Nach zwei bis drei Monaten kann die Dosis halbiert werden. Nicht in heiße Speiseneinrühren! Dieses Pulver ist auch für die Daueranwendung geeignet, da es unserem Körper nicht möglich ist, Vitamin C in beachtlichen Mengen zu speichern. ÜberflüssigesVitamin C wird mit dem Harn ausgeschieden.

Tee aus der Kräuterapotheke
Tee aus der Kräuterapotheke

Hagebuttentee
Unterstützend bei Blasen- und Nierenleiden und fürs Immunsystem
2 gehäufte Teelöffel werden mit ¼ Liter kochend heißem Wasser übergossen, man läßt 15-30 Minuten abgedeckt ziehen, seiht ab und trinkt mehrmals am Tag 1 Tasse.


Kräuterwanderung von Tanne nach Königshütte

Kräuterwanderung von Tanne nach Königshütte

Das Naturschutzgebiet »Harzer Bachtäler« umfaßt die Bachtäler der Warmen Bode und der Rappbode mit einer Vielzahl von Nebenbächen. Zahlreiche Wanderrouten führen hier entlang. Dabei ist die Erhaltung und der Schutz der für diesen Naturraum charakteristischen Mittelgebirgsbäche mit ihren artenreichen, natürlichen bachbegleitenden Pflanzenbeständen und der angrenzenden Bergwiesen mit ihrer typischen Fauna und Flora Anliegen aller Besucher. Einer der vielen Wanderwege durch dieses Naturschutzgebiet ist der Weg von Tanne nach Königshütte entlang der Warmen Bode. Er ist besonders reizvoll, interessant und ungewöhnlich schön.

Vom Parkplatz aus geht es direkt über die Brücke auf die östliche Uferseite der Warmen Bode, wo der Wanderweg beginnt. Nach kurzem Wegstück geht es rechts hinauf zum Kapitelsberg [528 m], dem Hausberg von Tanne, den man nach leichtem Anstieg von ungefähr einem Kilometer erreicht. An der Wegböschung des Fichtenwaldes bergauf begegnet man zahlreich dem Roten Fingerhut, dem Wald-Sauerklee, dem Wald-Wachtelweizen und dem Buschwindröschen. Oben angekommen, trifft man auf eine Wanderhütte mit Stempelstelle und ein originelles Gipfelbuch. Nur etwa 50 Meter entfernt erwartet uns der beliebte Aussichtspunkt mit dem Gipfelkreuz. Von hier aus wird man mit einem wunderbaren Blick auf den Ort Tanne und das Brockenpanorama belohnt. Eine gußeiserne Tafel erleichtert die Orientierung. Bevor es auf gleichem Weg wieder hinab geht, ist eine kleine Rast auf der Bank ratsam.

Am unteren Wanderweg nimmt die Warme Bode den Wanderer nun mit in den blühenden Lebensraum und weist selbst den weiteren Weg. Zunächst befindet sich auf der linken Seite eine nicht mehr genutzte Wiesenbrache, auf der noch die Bärwurz, das Echte Mädesüß, der Sauerampfer und die Wilde Engelwurz anzutreffen sind, nicht zu vergessen die Trollblume, die zu den besonders geschützten Pflanzen gehört, und die Sumpfdotterblume. Außerdem fallen die vielen Seggen-Arten am Uferrand auf. Hier ist mit einem nassen Untergrund zu rechnen. Weiter geht es in der Talsohle, in der sich die Warme Bode in ihrem Verlauf nach links verlagert und sich ein trockenes Wiesengelände ausbreitet, auf dem der große Bestand an Bärwurz und Arnika überrascht.

Danach erreicht man den Standort einer alten Silber- und Kupferhütte aus dem 12. Jahrhundert, den Silberkulk. Reste der Eisenschlacke aus der Zeit der Ottonen sind bis heute erhalten! Der Schwermetallrasen ist eingezäunt, um die interessante Fläche durch entsprechende Pflege erhalten zu können. Die meisten Pflanzen können auf solchen Standorten nicht existieren. Es hat sich daher eine spezielle Vegetation entwickelt. Typisch sind die Frühlingsmiere, auch »Kupferblümchen« genannt, die schwermetalltolerante Form des Taubenkropf-Leimkrauts und sogar Isländisches Moos und andere Flechten. Eine Schautafel, leider die einzig erhaltene auf dem weiteren Weg, informiert über den Silberabbau und die Flora.Das Naturschutzgebiet »Harzer Bachtäler« umfaßt die Bachtäler der Warmen Bode und der Rappbode mit einer Vielzahl von Nebenbächen. Zahlreiche Wanderrouten führen hier entlang. Dabei ist die Erhaltung und der Schutz der für diesen Naturraum charakteristischen Mittelgebirgsbäche mit ihren artenreichen, natürlichen bachbegleitenden Pflanzenbeständen und der angrenzenden Bergwiesen mit ihrer typischen Fauna und Flora Anliegen aller Besucher. Einer der vielen Wanderwege durch dieses Naturschutzgebiet ist der Weg von Tanne nach Königshütte entlang der Warmen Bode. Er ist besonders reizvoll, interessant und ungewöhnlich schön.

Der Weg – eigentlich als Naturlehrpfad ausgewiesen – führt immer dicht am Flußufer entlang weiter, begleitet von charakteristischen Vegetationsbeständen mit Hahnenfuß, Sumpfschachtelhalm und Sumpfschafgarbe. Oft genug bleibt zwischen sumpfiger Wiese links und Geröllhang rechts nur ein schmaler Trampelpfad. Aber der Weg ist einfach idyllisch und besonders reizvoll, wenn sich die Warme Bode abwechslungsreich wie ein Mäander durch das Tal schlängelt.

Um die Pflanzen nicht zu übersehen, sollten die Augen offen gehalten werden. Im Frühjahr sind es die Schlüsselblume, das Veilchen, das Wiesenschaumkraut, der Wald-Storchschnabel, das Bingelkraut und das Scharbockskraut. Auch um den Weg nicht aus den Augen zu verlieren, ist Aufmerksamkeit vonnöten! Viel quer liegendes Totholz ist bergauf und bergab zu umgehen. Über die seitlich einfließenden Bäche sind kleine, inzwischen recht morsche Holzbrücken gelegt.

Die saftigen Wiesen in dem Bachtal werden teilweise gemäht, teilweise wieder von dem Harzer Höhenvieh – einfarbig rot und eine der ältesten Nutztierrassen – beweidet, die die abwechslungsreiche Tallandschaft erfreulich wiederbeleben. Je nach Jahreszeit begegnet man noch vielen bemerkenswerten Kräutern und Pflanzen, teilweise in großen Beständen, die nicht alle genannt werden können. Vor dem Ortseingang von Königshütte trifft man auf den bequem begehbaren Harzer Hexenstieg [Südroute]. Hoch oben auf der Bergkuppe thront die Ruine der Königsburg [486 m], eine ehemalige Adelsburg aus dem 13./14. Jahrhundert, die man nach etwa einem Kilometer Aufstieg erreicht. Teile des Bergfriedes sowie Gräben und Wälle der Festung sind erhalten. Auch hier gibt es eine Stempelstelle der Harzer Wandernadel. Goethe besuchte diese Ruine auf seiner dritten Harzreise am 5. September 1784.

Auf einer Bank Platz genommen, öffnet sich der Kreis des Horizonts erneut für einen großartigen Überblick über das gesamte Panorama des Hochharzes mit dem Brockenmassiv und den Hohneklippen, eine erhabene Schönheit. Unterhalb der Höhe schaut man auf den Ort Königshütte, wo sich Warme und Kalte Bode vereinen. Nach einer kurzen Rast geht es über einen schmalen Serpentinenweg wieder hinab bis zu einer Brücke, die über die Bode an das andere Ufer führt. Für eine sehr willkommene längere Pause vor Antritt des Rückweges bietet das Restaurant »Am Felsen«, Ackertklippe 1 in der Verlängerung der Tanner Straße eine schöne Möglichkeit, um sich zu stärken.

Am Ortsausgangsschild in Richtung Tanne beginnt der Radfahrweg, der teilweise parallel, aber erhöht zur Straße verläuft, zurück nach Tanne [sieben Kilometer]. Immer wieder öffnet sich der Blick in das Tal, in dem die Bode ihre Lebensader eigenwillig in den Boden einbettet. Kurz vor Tanne leuchtet von der Höhe des Kapitelberges noch einmal das Gipfelkreuz auf, man nimmt Abschied von der eindrucksvollen Landschaft und kehrt zum Ausgangspunkt zurück. Oder man nutzt nach der erschöpfenden Wanderung die Busverbindung Königshütte-Tanne [264]. In Tanne hat man die Möglichkeit, in der »Schusterklause«, Bodetalstraße 33, einzukehren.

 


Echtes Mädesüß

Echtes Mädesüß

»Labkraut blüht und Mädesüß über grauen Nesselbüschen. Aus den Brüsten einer Göttin schäumten sie als weiße Quellen die Verdorrten zu erfrischen.«

- Wilhelm Lehmann

Echtes Mädesüß (Filipendula ulmaria)
Zeichung: Echtes Mädesüß (Filipendula ulmaria)

Das Echte Mädesüß ist eine Wiesenkönigin mit vielblütigen doldig-rispigen Blütenständen, die wie Schaum-Wolken am Pflanzenstiel mit einer Länge von bis zu zwei Metern aus der Wiese herausragen und einen starken Duft verströmen. »…sein Geruch macht das Herz lustig und froh und beglückt die Sinne«, so wurde die Pflanze bereits im Mittelalter verehrt.

Die winterharte Staude wächst sowohl auf kalkarmen als auch auf Kalkböden, will diese aber nährstoffreich und am liebsten feucht. An solchen Stellen finden wir sie auch in der Harzregion, vorwiegend im Vorharzgelände auf feuchten Wiesen und an feuchten Gräben, sonst sogar bis auf 1500 m Höhe. Sie ist eine Bienenpflanze, die zu den Rosengewächsen gehört.

Der Name Mädesüß wird in Beziehung gebracht zu Met, dem Honigwein, zu dessen Aromatisierung die Pflanze verwendet wird. Sie wird deshalb auch Honigblüte genannt. Andere Bezeichnungen sind Wiesengeißbart, Bocksbart und Metkraut. Die schmackhaften Blüten, die uns von Juli bis August erfreuen, erlauben auch eine Verwendung in der Küche zu Marmeladen und Desserts. Der lateinische Name ulmaria weist darauf hin, daß die Einzelblättchen der ununterbrochen gefiederten Blätter denen der Ulme ähnlich sind. Spierstaude wird das Mädesüß auch genannt, weil die ursprüngliche Bezeichnung von Linné spiraea lautete.

Auf Mager- und Trockenrasen kann man noch das Kleine Mädesüß [filipendula vulgaris] finden, das auch Knolliges Mädesüß wegen der Knollen an der Wurzel genannt wird. Es unterscheidet sich von dem Echten Mädesüß mit seinen 20-50 fiederspaltigen bis gesägten Fiederblättchen in einer grundständigen Rosette; außerdem ist der Blütenstand maximal zehn cm lang. Diese Pflanze kann arzneilich nicht verwendet werden. Über einen medizinischen Gebrauch des Echten Mädesüß in der Antike und im Mittelalter gibt es nur sehr spärliche Quellen. Adam Lonitzer nennt die Pflanze in seinem Kräuterbuch auch »Roter Steinbrech« und meint, »dieses Krauts Wurzel ist gut für den Stein«.

Als Heilmittel ist die Pflanze erst spät entdeckt worden

Vor ungefähr 150 Jahren fanden Forscher nicht nur in der Weidenrinde, sondern auch in dem Mädesüß oder der Spierstaude Salicylsäurederivate. Jahre später gelang dann erstmalig die synthetische Herstellung von Acetylsalicylsäure. Dieses Mittel wurde dann Aspirin genannt – abgeleitet von dem lateinischen Namen der Spierstaude: aspirea – ein bahnbrechendes Pharmakon, das leider unangenehme Nebenwirkungen verursacht. In der Pflanze sind noch weitere Wirkstoffe wie Gerbstoffe und Flavonoide enthalten, die sich gegenseitig mit weniger Nebenwirkungen ergänzen.

Als sogenanntes pflanzliches Aspirin ist das Mädesüß bei fieberhaften Erkrankungen, grippalen Infekten und zu Schwitzkuren angezeigt, diese wirken schweiß- und harntreibend, fiebersenkend, schmerzlindernd, entgiftend und antiseptisch. Für einen Kaltauszug [ein Teelöffel auf eine Tasse] läßt man die Droge zehn Stunden auslaugen, seiht ab und wärmt vor dem Trinken leicht an.

Wissenschaftlich bewiesen ist sowohl die Minderung der Magensäure als auch die Linderung von Gelenkschmerzen. Das deutet darauf hin, daß der Säurespiegel im gesamten Körper verringert wird. In der Volksheilkunde schätzt man den Tee auch bei Rheuma, Gicht und Migräne ohne die Nebenwirkungen von Aspirin in Tablettenform. Bei Grippe und Erkältungen empfiehlt sich zusätzlich ein Fußbad mit den Mädesüß-Blüten.

Blätter und Wurzel enthalten Gerbstoffe, die einen Einsatz bei Schleimhautreizungen und Durchfall rechtfertigen. Ein Aufguß aus den Blättern ist wohlschmeckend. Mädesüß verdient wieder entdeckt zu werden! Hinweis: Nicht in der Schwangerschaft und in der Stillzeit anwenden! Auch nicht bei Kindern unter zwei Jahren!


Die Geschichte und Bedeutung von Kräuterbüchern

Mit Erfindung der Buchdruckerkunst wurde es möglich, Pflanzenbeschreibungen und Pflanzenabbildungen einer breiteren Leserschicht zugänglich zu machen. 1484 erscheint in Mainz das erste gedruckte Kräuterbuch, herausgegeben von einem Mitarbeiter Gutenbergs. Es enthält 150 Kapitel mit ebenso vielen Abbildungen in Holzschnitten.

Seite aus dem »Gart der Gesundheit«: die Alraune

Ein Jahr später wird der »Gart der Gesundheit« veröffentlicht. Es ist das erste gedruckte Kräuterbuch in deutscher Sprache mit 368 handkolorierten Blättern, auch mit den beiden Holzschnitten der Wunderpflanze Alraune, die im Mittelalter eine große Rolle in der Schmerzbehandlung spielte. Zusammen mit Opium und Bilsenkraut tränkte man Schlafschwämme, die vor operativen Eingriffen verabreicht wurden.

1491 wurde von dem Mainzer Buchdrucker Meydenbach der »hortus sanitatis« in lateinischer Sprache herausgebracht, der für die mittelalterliche Medizin und Botanik von großer Bedeutung war. 454 Blatt sind mit sieben Vollbildern und 1.066 meist im Format 6 × 10 cm in den Text hineingestellten Illustrationen geschmückt. Eine schöpferische Fundgrube für den Historiker und jeden, der sich für Heil- und Pflanzenkunde der damaligen Zeit interessiert.

Die Bevölkerung, die den Naturkräften gegenüber, die Gott in die Pflanzen gelegt hatte, ein großes Vertrauen entgegenbrachte, gewann zunehmend Interesse an einem medizinischen Hausschatz mit Anweisung zum Gebrauch, um auf einfache und praktische Weise sich selbst zu helfen und zu heilen.

Die deutsche Renaissance

Die Nachfrage nach Kräuterbüchern wuchs, so daß die Herstellung von Botanik-Ärzten übernommen werden konnte. Die nach 1530 erschienenen Kräuterbücher von den drei Vätern der Botanik waren seinerzeit das Großartigste und Beeindruckendste an naturwissenschaftlichen Werken:

Das erste dieser neuen Kräuterbücher erschien 1532 von Otho Brunfels [1488-1534]; sein Contrafayt Kreuterbuch war zunächst in lateinischer, danach erst in deutscher Sprache erhältlich. Brunfels war Dominikanermönch und Doktor der Medizin. Die handkolorierten Abbildungen von einem Schüler von Albrecht Dürer sind so naturalistisch, daß sie das Buch besonders wertvoll machen.

Ein Schüler von Brunfels, Hieronymus Bock [1498-1554], war Lehrer und Leiter eines Botanischen Gartens. Er bringt 1539 sein Kreutterbuch heraus, in dem alle Pflanzen seiner oberrheinischen Heimat, inklusive Stauden und Bäume aufgenommen sind. Sein Erfolg ist vor allem den volkstümlichen, liebevoll verfaßten Texten zu verdanken, zu denen auch Passagen über die Herkunft, Verarbeitung und Anwendung von Lebensmitteln gehören.

Der Tübinger Professor Leonhart Fuchs [1501-1566], später Leibarzt des Markgrafen von Brandenburg in Ansbach, bringt 1543 ein gewaltiges, bebildertes New Kreüterbuch heraus, graphisch und künstlerisch wohl das Schönste, was von den drei Vätern der Botanik geschaffen wurde. Er beruft sich auf die alten Schriften von Hippokrates, Dioskurides und Galen. Der Text behandelt den Namen, die Gestalt, Vorkommen und Blütezeit, aber auch die Kraft und Wirkung der Pflanzen. Mit dieser Komplexität überragt er alle bis dahin erschienenen Werke.

Schier unerschöpfliche Quellen stellen auch die Kräuterbücher dar, die ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erscheinen, so das Kreuterbuch des Adam Lonicerus von 1555; das Kreuterbuch von Nikolaus Mathiolus, das vielfach Grundlage für weitere Kräuterbücher wurde.

Das umfassendste Werk der Kräuterbuchgeschichte ist das Kreuterbuch des Jacobus Theodorus Tabernaemontanus aus dem Jahre 1731. Auf 1.160 Seiten hat der Arzt und Apotheker in 38 Jahren über 3.000 Kräuterbeschreibungen in außergewöhnlicher Ausführlichkeit zusammengetragen.

Bis weit ins 18. Jahrhundert war der »Tabernaemontanus« das Standardwerk der Botanik und Pharmakologie. Jakob Theodor [1525-1590], nach seinem Heimatort Bergzabern in der Pfalz »Tabernaemontanus« genannt, war Schüler von Hieronymus Bock. Sein Leben lang arbeitete er an dem 1588 erschienenen »Neu vollkommen Kreuter-Buch, darinnen 3000 Kräuter mit schönen künstlichen Figuren... beschrieben« – das bedeutendste Werk mit 2300 Holzschnitt-Abbildungen. Seinen Vorgängern gegenüber hebt es sich mit wesentlich besseren Holzschnitten und treffenderen Beschreibungen deutlich ab. Zahlreiche schöne Illustrationen, die später vermehrt wurden, waren weit bis ins 18. Jahrhundert vielen Botanikern eine Einführungshilfe in die europäische Flora. Der letzte und schönste Nachdruck erfolgte 1731.


Originale aus dem Harz: Der Waldschrat

Harzer Originale: Der Waldschrat

Bis Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts konnte man sie auch im Harz noch vereinzelt antreffen: die tuckernden Bandsägen, die nur mit hörbarer Mühe die steilen Berge erklommen. Doch deren eigentliche Bestimmung bestand ja auch keineswegs aus dem Fahren. Das war nur Mittel zum Zweck. Mangels Baumärkten waren Besitzer von Bandsägen überall stets hochwillkommen, wenn es darum ging, sich das Holz für den heimischen Ofen klein schneiden zu lassen - und das alles für ein paar Alu-Pimperlinge. Kettensägen gab es indessen nur für Forstleute. Irgendwann verschwanden aber mit der untergeganenen DDR auch die Uralt-Verdampfer aus dem Straßenbild und gerieten so nach und nach in Vergessenheit.

Längst sind funktionierende Bandsägen daher zu echten Raritäten für passionierte Sammler und Schrauber geworden. Heutzutage wird man zwischen Osterode und Thale, Nordhausen und Bad Harzburg lange nach solchen rollenden Sägewerken suchen müssen. In Zilly stehen gleich zwei, die aber beide nicht mehr funktionstüchtig sind, geschweige denn sich noch zum Sägen eignen würden.

Um so überraschter ist man, auf dem Hof des Elbingeröders Karsten Böhme noch auf ein Exemplar, Baujahr 1927, zu stoßen, welches von ihm in nur zwei Jahren aufs Feinste restauriert wurde. »Ich wollte schon immer etwas Außergewöhnliches haben, bis mir ein Freund von einer Bandsäge auf der anderen Seite des Harzes erzählte. Ich wußte damals noch nicht mal so genau, was das eigentlich sein soll.« Dabei schien das Schicksal gerade dieser Bandsäge eigentlich schon vor Jahrzehnten besiegelt. In Steina, einem Ortsteil von Bad Sachsa, gammelte sie 20 Jahre unter freiem Himmel vor sich hin, bis irgendwann die Brennnesseln aus dem löchrigen Blechdach herauswuchsen. Ausgesägt und ausgedient.

Doch jener Mann mit dem Vollbart, der »Waldschrat« oder »Holz-Michl« nach eigenem Bekunden für die treffendsten Beschreibungen seiner Person hält, hat ein kleines Wunder vollbracht. Gab es doch seinerzeit niemanden, der angesichts des kläglichen Schrotthaufens nicht die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hätte. Böhmes Ehefrau Nicole zuallererst. Auch der mit dem Abtransport beauftragte Fuhrunternehmer quittierte das rostende Elend lediglich mit einem vielsagenden Kopfschütteln: Da hätte sich ja nicht mal die Anreise über den Harz gelohnt! Und dafür auch noch Geld ausgeben? Der Spediteur verweigerte sich zunächst komplett und wollte am liebsten unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren. Mit Hängen und Würgen konnte ihn der Enthusiast Böhme vom Gegenteil und letztlich mit einem Kasten Bier überzeugen: »Roste es, was es wolle...«.

Das Ergebnis dieser Überredungskunst und monatelanger Friemelei ist ein funktionsfähiger Oldtimer aus den Händen der Firma Hans Rode aus Kassel. Im übrigen mit verblüffend genialer Technik und noch dazu von hohem Nutzwert - wenn »Mann« ihn denn benutzen wollte. Aber Böhme weiß sein Schmuckstück zu sehr zu schätzen. Ist er doch selbst Forstarbeiter, der sich heute natürlich ganz anderer Technik bedienen kann. Für manche Dinge ist es vermutlich das Beste, sie restauriert zu haben und einfach nur zu besitzen. Der originale und völlig heruntergekommene Zwei-Zylinder-Motor von Güldner hatte sich wegen zu erwartender Kosten von mehreren Tausend Euro zwar nicht ersetzen lassen. Dafür sorgt jetzt ein Ein-Zylinder-Motor von Deutz mit 16 PS für den Antrieb. Am meisten überrascht war Böhme vom Innenleben des Getriebes: »Darin sah alles aus wie frisch aus dem Werk!« Das benötige ja auch kein Öl, so der Experte: »Das freut sich, wenn ich mal mit einer Fettpresse vorbeikomme.«

So gibt es nur ein oder zwei Gelegenheiten pro Jahr, in denen die Bandsäge auf einer Oldtimer-Ausstellung in der Harz-Region öffentlich präsentiert wird. Theoretisch könnte sie auch selbst nach Hüttenrode oder Wasserleben fahren. Aber mit der Spitzengeschwindigkeit von 5 km/h müßte Böhme unterwegs auch noch eine Übernachtung buchen. So wurde das gute Stück gar nicht erst polizeilich zugelassen und wird im Falle eines Falles eben auf einen Hänger verladen. Ab und an hätten schon mal Interessenten bei ihm in Elbingerode vor der Tür gestanden. Die werden dann stets mit der gleichen Not-Lüge abgeschreckt: »Die Bandsäge ist unverkäuflich, weil schon seit hundert Jahren in Familienbesitz ...«


Harzer Originale: Die Schrauber aus Zilly

Was andere für puren Schrott im weitesten Sinn halten, ist für die Niebels in Zilly immer noch brauchbar. Und das selbst für den Fall, daß manches Teil nach dem Einsammeln weitere zehn Jahre auf seinen Einsatz warten muß – in irgendeiner von hunderten Kisten und Kästchen, ölverschmierten Regalen oder an einer der Wände, die eigentlich alle schon vor Jahren keinen Platz mehr boten. Was wirklich nicht mehr paßt, wird kurzerhand an die Decke gehangen. Doch auch die ist längst derart voll, daß nur noch an ganz wenigen Stellen der Blick auf die uralten Balken der legendären Harzer Bike-Schmiede überhaupt möglich ist.

Für den Außenstehenden scheint kein nachvollziehbares System dahinter zu stecken – ein krasser Irrglaube! Was Opa Wilfried einmal in den Händen hatte, läßt sich mühelos nach Monaten binnen kürzester Zeit wieder hervorkramen. Diesen Test hat er, wie auch sein Sohn Tilo, längst hundertfach bestanden. Daß oft Dinge zusammenfinden, die ursprünglich nie zusammengehörten, ist Teil der Niebelschen Philosophie. »Wir wollen beweisen, dass man auch mit einem Abschluß der achten Klasse mehr anstellen kann, als nur blöd gucken«, bringt es Wilfried Niebel auf den Punkt, um später zu ergänzen: »Mein Vater ist im Krieg geblieben. Ich mußte mir daher alles selbst beibringen. So habe ich es auch mit meinen Kindern gehalten. Inzwischen sind auch meine Enkel von der Schrauberei infiziert,« so der gelernte Elektromeister. »Alle mußten schon in jungen Jahren ihre Fahrräder selbst reparieren, später waren es die Mopeds.« Sie hätten sich auch leicht etwas Neues kaufen können, so der Großvater mit der ledernen Bikermütze in Schwarz, aber dann wäre das Geld weg gewesen und der Spaß am Tüfteln und Ausprobieren wäre höchstwahrscheinlich erst gar nicht aufgekommen.

Daß sich dabei zumeist die halbe Werkstatt im Garten verteilt hat und Spritzpistolen niemals gereinigt wurden, nahm Niebel mit stoischer Gelassenheit in Kauf. »Ich war einfach froh, daß sie nicht in der Kneipe rumgehangen haben, rauchten oder irgendwelchen anderen Blödsinn machten.« Als Sohn Tilo sich seine erste zerlegte MZ »BK 350« besorgte, um ihr vielleicht doch noch einmal neues Leben einzuhauchen, war er gerade mal Zwölf! Ohne Bauanleitung sollte das, gemeinsam mit dem Bruder, auch gelingen. Bis heute gilt als ungeklärt, wer damals eigentlich stolzer war – die bei den Jungen oder deren Vater. Auf den Feldwegen rund um Zilly wurde die Maschine zusammen mit den Kumpels regelrecht zu Tode geritten – und doch immer wieder erfolgreich repariert.

Mitte der 70er Jahre geriet der Kauf eines Oldtimers für einen seiner beiden Söhne zu einer Initialzündung. War dies doch der Anfang einer bis heute einzigartigen Fahrzeugsammlung. Weil die Schmiede dafür zu keinem Zeitpunkt genügend Platz bot, stehen die Schmuckstücke in Blech neuerdings nebenan in einer extra für diesen Zweck ausgebauten riesigen Scheune. Vierzehn Meter hoch und zunächst baulich in desolatem Zustand, wurde auch diese in Eigenregie ausgebaut. Mit neuem Material aus dem Baumarkt? Fehlanzeige! Das wäre allen gegen den Strich gegangen. Bei den Niebels wird nicht wiedergekäut, aber gnadenlos wiederverwertet. Nun also kann sich auf zwei Etagen verteilen, was sonst in den zahlreichen kleinen Schuppen und Garagen sein Mauerblümchendasein fristen mußte. Aber selbst dort beginnt es schon wieder eng zu werden.

Pures Glück, einzigartige Zufälle oder auch ganz gezielte Suchaktionen auf den Schrottplätzen landauf, landab führten bis jetzt zu einem Fundus, der seinesgleichen sucht. Und das sicher weit über den Harz hinaus. Wilfried Niebel: »Als Elektriker bist du ja auch irgendwie ein Zigeuner. Du kommst auf jedes Grundstück, in jede Scheune oder Keller und entdeckst bei den Leuten immer etwas, was achtlos in der Ecke steht, aber eigentlich doch noch zu gebrauchen wäre.« Eigentlich kein Wunder, daß der Ort Zilly längst zum Synonym für pure Sammlerleidenschaft geworden ist. Das quittieren im Dorf aber längst nicht alle mit Anerkennung und Respekt: »Die Niebels spinnen doch!«

Daß man überregional in der Biker- und Oldtimer-Szene in der ersten Liga mitspielt, genügt den professionellen Bastlern mit der vorsätzlich zur Schau getragenen Schraubermacke indessen vollends. Die anerkennenden Einträge von Besuchern im Internet nach den Führungen durch die Bike-Schmiede sprechen Bände. Und ob es ein anderes Dorf im Nordharz je zu einer derartig medialen Präsenz schaffen wird, daß sich die Fernsehanstalten geradezu die Klinke in die Hand geben, darf ebenfalls bezweifelt werden. Im 800 Einwohner zählenden Zilly hätte man allein schon deswegen allen Grund, über alle Maßen stolz zu sein.

Wie auch immer – die Enthusiasten mit dem Benzin im Blut haben sich zumeist einen Teufel darum geschert, angepaßt zu sein und nicht aufzufallen. Wilfried Niebel nahm nie ein Blatt vor den Mund – zu DDR-Zeiten nicht und heute schon gar nicht. Unter Honecker klickten deswegen gleich drei Mal bei ihm die Handschellen. Pikanterweise immer, wenn er allein auf der Toilette war: »Die Männer mit den nach allen Seiten drehbaren Pferdeohren haben mir dann stets den Unterschied zwischen Meinungsäußerung und Hetze klarmachen wollen. Zu einer richtigen Verhaftung hat es aber nie ganz gereicht.«

Zwei Jahre nach dem Mauerfall rückte die zu komplettierende Oldtimersammlung immer mehr in den Fokus. Es ist jene Zeit, da man sich im Osten nur zu gern der historischen Technik entledigt. Aber nicht immer sind die in Scharen einfallenden Sammler aus den Niederlanden schneller als die Niebels vor Ort. Alle paar Monate stößt man irgendwo auf einen neuen Oldtimer, der offensichtlich seit Jahrzehnten auf begnadete Schrauberhände gewartet hatte. Darunter befindet sich mit dem »Siyz 110«, Baujahr 1949, auch die erste DDR-Staatskarosse von Otto Grotewohl. Das Ganze ein außergewöhnlich seltenes Exemplar der Automobilgeschichte und von daher heutzutage kaum bekannt. Im übrigen ein Packard-Nachbau, dessen 36 Kilogramm schweres Radio schon damals über einen Sendersuchlauf verfügte. Der Wagen ist sieben Meter lang, drei Tonnen schwer und besticht mit einem Verbrauch von unbescheidenen 40 Litern pro 100 Kilometer. Selbst die elektrohydraulischen Fenster würden wartungsfrei bis heute tadellos funktionieren – »ohne jeglichen Schnick-Schnack und sowieso ohne Serviceheft!« Der eingesetzte Ölspaltfilter ist für die Ewigkeit gebaut und müsse praktisch nie gewechselt werden. Niebel: »Man stelle sich mal vor, wie viele Ölfilter jeden Tag in Deutschland ausgetauscht und als Sondermüll entsorgt werden müssen. Eine Million? Eine halbe?« Es ist jedenfalls unfaßbar und aus Niebels Perspektive einfach nur dumm, weil es schon einmal besser ging: »Wir verschleudern unsere Ressourcen – und alle machen mit! Für mich ein Indiz dafür, daß wir es verlernt haben, mit unserem Wohlstand angemessen umzugehen.«

Unterdessen ist die Sammlung auf fast 300 Modelle angewachsen. Die meisten davon sind Motorräder und Mopeds. Jedes zweite Fahrzeug ist wieder in einen betriebsbereiten Zustand versetzt worden. Unterdessen laufen Planungen auf Hochtouren, die Exposition noch um ein Spielzeugmuseum zu erweitern. – Ganz ohne eigene Kreationen sollte es bei den Niebels aber nie abgehen. Das erste Husarenstück gelang ihnen mit der »Big Mama«. In dieses gewaltige Motorrad mit seinen 115 PS wurde nach dem Willen der beiden Söhne der Motor eines Tatra 603 verbaut. Motto: Geht nicht, gibt`s nicht. Einmal angelassen, bekommt auch das letzte Haus am Zillyer Ortsrand noch etwas vom martialischen Klang dieses Unikats ab. Die acht Zylinder sorgen automatisch dafür, daß die Schuhe entstaubt und zerknitterte T-Shirts ähnlich platt sind wie deren Träger.

Wenn sich 8 Zylinder miteinander unterhalten, möchte man vor Demut niederknien


Ausradierte Innenstadt: Halberstadt

Orkan aus West: Kampflose Übergaben

Mit der Schließung des Ruhrkessels im April 1945 kam der Zweite Weltkrieg als ein alles verheerender Sturm nach Mitteldeutschland. Im Buch „Orkan aus West – Vom Ruhrkessel zur Harzschlacht 1945„, vom Harzer Autor Andreas Pawel, wird in vielen Geschichten und aus persönlichen Erinnerungen von Zeitzeugen der letzten Kriegsmonat im Kampfgebiet zwischen Paderborn und dem Harz bis zur Kapitulation des Generalstabes der 11. Armee in Kloster Michaelstein/Harz geschildert. Im Kapitel „Kampflose Übergaben“ wird anhand von Beispielen vom Mut derer erzählt, die trotz aller Todes-Drohungen mit der weißen Fahne in der Hand den Amerikanern entgegengingen, um sinnloses Töten und sinnlose Zerstörungen zu vermeiden.

Im Angesicht einer erdrückenden militärischen Übermacht des Gegners neigt der rational denkende Mensch zur Aufgabe der Verteidigung. Sie erscheint ihm sinnlos. Es ist verantwortungsvoller, Leben zu retten. Die militärische Lage im Frühjahr 1945 wurde indessen nicht rational beurteilt. Hitler hatte das Wort Kapitulation aus seinem Wortschatz gestrichen. Es existierten für solche Fälle im deutschen Militärstrafgesetzbuch klare Regelungen. Für einzelne Soldaten war eine persönliche Kapitulation strafbewehrt. Wer es trotzdem auf eigene Faust versuchen wollte, dem mußte klar sein, daß er als Deserteur verfolgt werden würde. Darüber hinaus gab es vom Führer und obersten Befehlshaber der Wehrmacht ganz klare Weisungen, wie in solchen Fällen zu verfahren war. In der zweiten Kriegshälfte mußten Einheitskommandeure im Falle von Kapitulation mit Sippenhaft der eigenen Familienangehörigen rechnen. Es gab viele Fälle von praktizierter Sippenhaft, so daß für Hitler und seine Umgebung dieses Mittel sehr erfolgreich war. Zu Recht befürchtete man an oberster Stelle, daß das Verweigern von soldatischer Pflicht ohne Sanktionen einem Dammbruch gleichkäme. Die Generäle hatten Angst, die Soldaten hatten Angst. In den letzten Kriegswochen kämpfte der übergroße Teil der Wehrmachtsangehörigen nur noch aus Pflichtgefühl und eben auch aus Angst vor Erschießung und Haftstrafen seiner Angehörigen. Aus diesem Grund gab es im Westen sehr wenige Kapitulationen. Anders war die Lage, wenn eine Einheit eingeschlossenwurde. So beispielsweise im Ruhrkessel. Da der lange Arm des Führers nicht bis in den Kessel reichte, war es hier leichter, den Kampf zu beenden.

Feldgendarmerie: Die Kettenhunde der Wehrmacht

Speziell an der Westfront entwickelte sich aber ein von Hitler nicht für möglich gehaltenes Phänomen. Deutsche Städte öffneten ihre Tore den heranrückenden Engländern, Amerikanern und deren Verbündeten. An der Ostfront gab es diese Erscheinung in weit geringerem Maße. Hitler sah darin ein besonders ehrloses Verhalten und natürlich einen Verrat am deutschen Volk. Er forderte, aus größeren Städten Festungen zu machen. Diese Festungen sollten starke Feindkräfte binden, die dem Feind dann anderswo fehlen würden. Notfalls habe sich die Festungsbesatzung einschließen zu lassen, um im günstigen Augenblick aus der Festung heraus Gegenoperationen zu starten. Der nicht durchgängig gebrauchte Begriff Festung bedeutete eben nicht, daß es sich um eine Festung im Wortsinn handelte. Zum Kriegsende wurden dann nicht nur große Städte, sondern auch Landstädtchen, Dörfer sogar und ganze Landschaften inflationär zu Festungen erklärt. In den allermeisten Fällen handelte es sich dabei um pures Wunschdenken, denn materielle und personelle Ressourcen zur wirkungsvollen Verteidigung solcher festen Plätze waren kaum vorhanden. Das wollte der oberste Kriegsherr durch Härte und bessere Moral ausgleichen. Der Kommandant eines solchen Objektes wurde Kampfkommandant genannt. Er sollte ein besonders ausgesuchter, harter Soldat sein, der den Ortsstützpunkt mit allen Mitteln zäh zu verteidigen hatte und dadurch die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Weiterführung des Kampfes in diesem Bereich schaffen sollte. In seinem Bereich unterstanden ihm sämtliche Soldaten und Zivilisten. In seiner Person lag auch die vollziehende militärgerichtliche Strafgewalt. Er bekam fliegende Militär- oder Standgerichte zugeteilt. Es kam also auf ein stures „Halten“ an, flexible Operationen wie Gegenangriffe etwa blieben den nicht zu der Festungsbesatzung zählenden normalen Wehrmachts- oder Waffen-SS Einheiten vorbehalten.

Aus militärischer Sicht erklärte sich diese 1944 erlassene Führerweisung zu Festen Plätzen als Wellenbrecher gegen den heranflutenden Gegner. Durch die völlig unzureichende Ausstattung dieser Festungen erfüllten sie die ihnen zugedachte Aufgaben nur vereinzelt. Militärtechnisch ist das Konzept nicht aufgegangen; im Gegenteil, bei den Soldaten galten diese Objekte als Menschenfallen, aus denen man nur noch tot herauskommen könne. Bei der Übermacht des Gegners an Mensch und Material fiel auch das propagierte Kräftebinden kaum ins Gewicht.

Da im Schicksalsjahr 1945 gerade an der Westfront immer mehr Orte, oder wie im Fall des Harzgebirges sogar eine komplette Landschaft zum Festen Platz erklärt wurden, waren kampflose Übergaben von Ortschaften lebensgefährlich für den, der es versuchte. Denn da war ja immer ein Kampfkommandant, der im Hinterland zumeist seine Familie wußte. Dieser Druck, diese Angst um das Schicksal der Angehörigen und darüber hinaus die physische Präsenz der gefürchteten Waffen-SS war eine teuflische Gemengelage. Es gab Beispiele, wo mutige Einwohner, mitunter auch Offiziere an die Vernunft des Kampfkommandanten appellierten und damit Erfolg hatten. Da galt es „Goldene Brücken“ zu bauen, um mit List und Tücke die Stadt zu retten. In einigen Fällen wurden Kampfkommandanten vor solcher Übergabe entfernt, auch da galt es allerdings wasserdichte Gründe zu konstruieren. Und oftmals ging so eine edle Rettungstat schief, bezahlten mutige Männer dafür in den letzten Tagen, sogar Stunden des Krieges mit ihrem Leben. Im Angesicht des Todes waren alle gleich. Ein ranghoher Wehrmachtsoffizier wie Oberst Petri, Kampfkommandant von Wernigerode, mußte genauso sterben wie zuvor Wilhelm Gräfer, Bürgermeister von Lemgo. Beide wurden erschossen beziehungsweise gehenkt. Wer nicht bis zum letzten Atemzuge, bis zur letzten Patrone kämpfen wollte, der hatte sein Leben verwirkt, ohne Ansehen auf Person, Rang und Stand. Der Führer hatte in einer Rede erklärt: „Wer den Tod in Ehren fürchtet, der stirbt ihn in Schande“. Gewissensnöte zählten da überhaupt nicht.

Grabstätte Wilhelm Gräfer, Andreas Pawel: Orkan aus West - Vom Ruhrkessel zur Harzschlacht 1945
Grabstätte Wilhelm Gräfer

Aber trotz Terror und Abschreckung konnte eine große Zahl deutscher Städte und Dörfer dennoch unversehrt die gefährliche Zeit in der Frontzone überstehen. Wenn sich heute schmucke Fachwerkstädte den Touristen werbewirksam präsentieren, wenn Besucher aus aller Welt Zeugnisse des Fleißes vieler Generationen sowie Meisterwerke deutscher Baukunst bestaunen, dann soll auch der Städte erinnert werden, die nicht unter glücklichen Umstände davonkamen; die durch Kämpfe, Beschuß und Sprengungen bis fünf nach zwölf ihren Schmuck, ihr Gesicht und ihren Charakter unverschuldet verloren haben.

Blankenburg beispielsweise ist es so ergangen. Bislang im Krieg unzerstört, glaubte die schöne Residenzstadt der Braunschweigischen Herzöge ungeschoren davonzukommen. Doch dazu hätte es mindestens einen beherzten Mann geben müssen, der die Sache in die Hand genommen hätte. Es fand sich einfach niemand, der den Amerikanern mit der weißen Flagge des Parlamentärs entgegengegangen wäre. Bürgermeister Philipp war getürmt, ließ die Stadt in ihrer schwersten Stunde führungslos zurück. Der Kampfkommandant wußte das Oberkommando der 11. Armee in seiner Stadt. Wenn ranghöhere Offiziere, Generäle sogar in der Nähe waren, standen ihm Entscheidungen bezüglich einer kampflosen Übergabe ohnehin nicht zu. Der OB der 11. Armee, General Lucht wiederum dachte sorgenvoll an seine und seiner Familie Zukunft und traf Maßnahmen für seine kommende Gefangennahme. Keineswegs wollte er kapitulieren oder den Gehorsam verweigern, das mißlungene Beispiel des Oberst Petri hatte er noch frisch vor Augen. Sein amerikanischer Gegenspieler Colonel Burba wollte Blankenburg schnell eingenommen haben. Wie so oft zuvor mit Erfolg durchgeführt, wollte er das Blut seiner Soldaten sparen und versuchte es zunächst mit einem Ultimatum. Als die Zeit ergebnislos verstrich, befahl er Feuer aus allen Rohren und Beschuß aus der Luft. 60 Häuser im Stadtkern, die Töpfer-, Mauer- und Marktstraße sowie der komplette Adolf-Hitler-Platz und der Schnappelberg sanken in Schutt und Asche. Besonders der Granatbeschuß aus Richtung Heimburg trug zu der verheerenden Bilanz bei. Zwei Stunden später marschierten die Eroberer ohne Gegenwehr ein.

Ausradierte Innenstadt: Halberstadt
Ausradierte Innenstadt: Halberstadt

Der Fall ist mit Braunschweig vergleichbar, auch dort wurde von Seiten der Deutschen kein Kapitulationsangebot akzeptiert, der dortige Kampfkommandant Generalleutnant Veith lehnte rundheraus ab. Da ließ die US-Army ihre Muskeln spielen. Artillerie und Tiefflieger schossen in die Stadt, was die Rohre hergaben. Riesengroße Zerstörungen und Brände waren die Folge. In der Nacht darauf, lange bevor der Morgen dämmerte, wurde die Übergabe Braunschweigs dann vereinbart; war der Krieg für die Stadt beendet.

In diesen Tagen waren gerade die besonnenen Bürger auf sich allein gestellt. Kaum einer von ihnen wußte, mit welcher List, mit welchem Plan die Nachbarstädte das Kriegsende mit seinem nihilistischen Potential überstehen würden. Es gab kaum Austausch von Informationen. Aber sei es aus Edelmut, großem Menschentum oder aus purer Selbsterhaltung: Jetzt wurden Männer gebraucht, die klug zu handeln verstanden. Zum Glück gab es sie. Weitsichtige und Mutige waren zur Stelle, was erstaunlich ist. Hatte doch die Propaganda fanatischen Widerstand bis zur Selbstaufgabe wieder und wieder gefordert. Fanatische Anhänger des Dritten Reiches waren natürlich nicht für derartige Missionen zu gewinnen. Bis zuletzt bestimmten sie den Ton, wachten über ihren Befehlsbereich. Vom höchsten Gauleiter bis zum kleinsten Blockwart war noch jedes dieser Rädchen im Getriebe des Reiches kreuzgefährlich. Ein falsches Wort ins falsche Ohr konnte den Erschießungstod bringen. So sollte der Durchhaltewille in der Bevölkerung hochgehalten werden. Das alles in Sichtweite der Amerikaner. Wenn indesen eine Übergabe gelang, kippte die Situation blitzschnell. Dann waren die Einpeitscher von gestern auf wundersame Weise verschwunden. Zumeist wagten es Ärzte, Lehrer, Bürgermeister und Offiziere der Wehrmacht, so eine kampflose Übergabe zu organisieren.

Das waren beileibe nicht immer Einheimische, die etwa aus Sorge um die Unversehrtheit ihrer vertrauten Heimat so handelten. Vielfach waren es Dienstverpflichtete, Evakuierte aus anderen Teilen des Reiches oder vor Ort anwesende Offiziere; in der Regel also Personen, die aus ihrem Verhalten keinen persönlichen Nutzen ziehen konnten oder wollten.

In Braunlage waren es Wehrmachtsoffiziere, die die Kriegslage realistisch beurteilten. Gleichgesinnte berieten sich, nachdem der Generalstab der 11. Armee das Städtchen via Schierke verlassen hatte. Vor dem Kommandeur der am Ort liegenden Einheit gelang es, das Vorhaben geheim zu halten. Der 65-jährige Oberfeldarzt Dr. August Aumann übernahm den gefährlichen Gang als Parlamentär über die Frontlinie zu den Amerikanern. Da war das Armeeoberkommando bereits genügendweit weg. Die Übergabe Braunlages am 17.April war die letzte in der Festung Harz.

Gedenkstein Aumann

Weitere Beispiele können Sie im Kapitel „Kampflose Übergaben“ aus dem Buch „Orkan aus West“ von Andreas Pawel nachlesen.


Hafer britisch – Porridge

Rezept: Hafer britisch – Porridge

Hafer britisch – Porridge

Porridge ist ein warmer Haferbrei, der in Großbritannien und auch im Harz zum Frühstück gehört und der wie das Müsli mit unendlich vielen Zutaten kombiniert werden kann.

  • Haferflocken
  • Milch
  • Äpfel, Bananen, Nüsse
  • Honig und Schokolade
  1. Die Flocken werden in Milch aufgekocht und je nach Geschmacksrichtung mit Äpfeln, Bananen, Nüssen, Honig und Schokolade verfeinert.


Rezept: Arme Ritter

Rezept: Arme Ritter – Schlicht, aber gut!

Arme Ritter – Schlicht, aber gut!

  • 200 g Mehl
  • 2 Eier
  • ½ Liter Milch
  • Salz für den Pfannkuchenteig
  • 6 Brötchen
  • Zimt, Zucker, Prise Salz
  1. Aus Mehl, Eiern, der Milch und Salz einen Pfannkuchenteig herstellen. Die Brötchen in Scheiben schneiden, in die Milch legen und dann in den Pfannkuchenteig eintauchen.
  2. Die Armen Ritter in einer Pfanne in Butter backen, mit Zimt und Zucker bestreuen oder Kompott dazu reichen.


Rezept: Himmel und Erde aus Hackus, Knieste & Runx Munx - Das Rezeptbuch aus dem Harz von Hilde Thoms

Rezept: Himmel und Erde – Eine wahre Wiederentdeckung

Himmel und Erde – Eine wahre Wiederentdeckung

Weil die Äpfel »von oben« und die Kartoffeln »von unten«, aus der Erde kommen, erhielt dieses einfache Gericht seinen Namen – ein Alltagsessen nicht nur im Harz.

  • Birnen oder Äpfel
  • Geschälte Kartoffeln
  • Ausgelassener Speck oder gebräunte Butter
  • Salz
  1. Für dieses äußerst leckere, leicht säuerliche Gericht werden die gleiche Menge Birnen oder saftige Äpfel und geschälte Kartoffeln zusammen gekocht, verstampft und mit ausgelassenem Speck serviert. Durch die Saftigkeit der Äpfel ist in der Regel kein Wasserzusatz erforderlich. Anstelle von Speck kann auch gebräunte Butter verwendet werden.

Das Würzen ist jedem individuell überlassen.