Die Sage der Osterjungfrau von Osterode

Die Osterjungfrau von Osterode

Die Sage von der Osterjungfrau von Osterode

Der Graf von Osterot war ein sehr reicher, außerordentlich tätiger und bedeutender Mann, der viel für das Land getan hatte. Als er starb, wurde sein früher Tod von allen seinen Untergebenen lebhaft betrauert. Seine Tochter hatte er vor seinem Ende einem treuen Knappen übergeben, damit er die Verwaiste bewache und beschütze. Kurz nach dem Tode des Grafen Osterot nun brach ein Krieg aus, und viele Ritter kamen auch durch Osterode und auf die Burg. Allen gefiel die liebliche Waise, und einer der Ritter, ein wilder, fremder Mensch, begehrte sie zum Weibe. Das Mädchen aber verabscheute den finsteren Mann und sagte ihm, er möge sich das aus dem Sinn schlagen; denn niemals würde sie seiner in Liebe gedenken.

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Das empörte den Krieger, und wilde Drohungen ausstoßend, zog er fort. Nicht lange währte es, da kam er, von vielen Rittern gefolgt, zurück und begehrte abermals die Jungfrau zum Weibe. Als diese ihm aber nochmals eine abschlägige Antwort gab, rief er zornig: »Hüte Dich und handle nicht vorschnell, denn ich bin mächtig und zwinge Dich mit Gewalt!« Doch furchtlos schickte das Mädchen den lästigen Werber zum zweitenmal fort. Da kam der Ritter zum drittenmal und mit ihm ein großer Volkshaufen, der alles umher verwüstete und die Burg belagerte. Der alte treue Knappe vereitelte lange alle Angriffe. Endlich aber konnte die erschöpfte Besatzung den Kampf nicht mehr weiter führen. Triumphierend drang der Ritter mit seinem Gefolge ein.

Jetzt, so glaubte er fest, würde das Burgfräulein ihm willig die Hand reichen, da sie sähe, dass ihr kein weiterer Ausweg blieb. Aber er hatte sich geirrt, denn ebenso entschieden wie früher weigerte sich noch jetzt die hart Bedrängte.

Da kannte seine Wut keine Grenzen. »Unglückselige!« schrie er, »wisse denn, dass ich dreimal gegen die Mohren gekämpft und dass ein Schwarzkünstler im Mohrenlande mich den Zauber gelehrt hat, Dich in einen Hund zu verwandeln, der über Deines Vaters Schätze wacht.«

»Das alles muss ich mir gefallen lassen,« entgegnete das Edelfräulein, »denn Deiner Macht kann ich nicht widerstehen; heiraten aber werde ich Dich nie!«

Bei diesen Worten ergriff der Ritter die Wehrlose und schleppte sie in den Keller, wo die Schätze des Grafen lagen. Hier verwandelte er sie in einen schwarzen Hund, der gefesselt an schwerer Kette die aufgehäuften Reichtümer bewachen musste. Aus dieser Verzauberung sollte nur ein Ritter, der keusch und frommen Herzens sei, die Unglückliche erlösen. An jedem Ostermorgen durfte sie in ihrer wahren Gestalt den Keller auf kurze Zeit verlassen. So ging sie denn alljährlich an diesem Tage den Berg hinunter und wusch sich im Lerbacher Wasser ihre Füße.

Als an einem Ostermorgen in aller Frühe ein armer Leineweber bei der alten Burg vorbei in die Stadt gehen wollte, sah er drunten am Wasser eine liebliche Gestalt. Neugierig trat er näher. Als der Mann zu seinem Staunen eine schöne Lilie an der Brust der Jungfrau gewahrte, fragte er: »So früh und schon eine Lilie?«

»Ja,« entgegnete diese, »wenn Ihr auch eine haben wollt, so kommt nur mit mir.« Gern folgte der Leinweber der weißen Gestalt, die ihm voran den Berg hinauf schritt und vor dem Keller, in den sie gebannt war, stehen blieb. Vor dessen Eingang aber stand ein Strauch der schönsten Lilien, und von diesen brach sie eine, reichte sie dem armen Manne und stieg dann in den Keller zurück. Der Lilienstrauch aber war verschwunden. Der Leinweber ging heim. Unterwegs aber merkte er, dass die Blume schwerer und schwerer wurde. Als er endlich zu Hause angelangt war, da war die Lilie vom schönsten Golde und Silber. Der Jubel, dass es nun ein Ende hatte mit der Armut der glücklichen Familie, wollte kein Ende nehmen. Die Zauberlilie kaufte ihm der Herzog ab und nahm sie in sein Wappen auf.

Als dann der dreißigjährige Krieg ins Land zog und alles durch Kriegsvolk überschwemmt wurde, da kamen auch viele Soldaten durch Osterode. So geschah es denn, dass am Ostermorgen zu früher Stunde einst ein Reiter bei der Burg vorbeisprengte, gerade zu der Zeit, da die Jungfrau sich wieder am Wasser wusch. Verwundert blickte der Soldat auf die liebliche Erscheinung, stieg vom Pferde und trat dicht an sie heran. Als er ihr guten Morgen bot und dabei eine prächtige Rose an ihrer Brust gewahrte, fragte er erstaunt: »So früh und schon eine Rose?« Wiederum entgegnete die Jungfrau: »Ja, wenn Ihr auch eine solche haben wollt, so kommt nur mit mir.«

Die Sage der Osterjungfrau von Osterode
Illustration Luise Bussert, „Die schönsten Sagen aus dem Harz“

Der Reiter folgte ihr und erblickte vor dem Keller einen prächtigen, glühenden Rosenstrauch. Nachdem die Jungfrau eine der Blumen gebrochen und dem Soldaten dargereicht, wollte sie abermals schnell in den Keller hinunter. Doch noch ehe sie die Tür zu schließen vermochte, war ihr der Reiter gefolgt und stieß sie mit Gewalt wieder auf. Die weiße Gestalt aber war verschwunden und vor ihm lag nur ein schwarzer Hund an eiserner Kette. Furchtlos ergriff der Kriegsmann die Kette und zerriss dieselbe mit kräftiger Hand. In demselben Augenblick, da die Teile klirrend zu Boden fielen, stand die Tochter des Grafen Osterot in voller Schönheit und Jugend vor ihrem Erlöser. Der Soldat war ein hoher Offizier aus edlem, alten Geschlechte, war keusch und frommen Herzens; so war es ihm möglich gewesen, die Unglückliche aus dem Banne zu erlösen.

Die Jungfrau wurde die Gemahlin ihres Befreiers und zog mit ihm nach Frankreich, wo seine Heimat war; auch die Schätze des Vaters nahmen die Glücklichen mit sich fort.

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Die Sage von der Entdeckung der Baumannshöhle

Die Entdeckung der Baumannshöhle

Die Sage von der Entdeckung der Baumannshöhle

Die Sage von der Entdeckung der Baumannshöhle
Illustration Luise Bussert, "Die schönsten Sagen aus dem Harz"

Noch vor dem großen Krieg, der die deutschen Lande verwüsten sollte, lebte in Rübeland ein Bergmann mit Namen Friedrich Baumann. Das war ein junger, kräftiger Mann, und er strebte danach, aus Dürftigkeit und Armut irgendwann zu Wohlstand und Ansehen zu gelangen. Aber immer noch herrschte Mangel im Hausstand des jungen Bergmanns, und deshalb verfiel er auf die Idee, unter der Erde nach verborgenen Schätzen zu suchen. Sein Vater, der vor einigen Jahren beim Einsturz eines Bergwerkes ums Leben gekommen war, hatte ihm des öfteren von den verborgenen Silberadern im Fels erzählt.

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Tag um Tag, Woche um Woche schlich der Bergmann einsam in den Felsen umher – und dann fand er im dichtesten Gebüsch eine Felsenspalte! Er hatte den Eingang zu einer Höhle entdeckt, die er auf eigene Faust erkunden wollte. So stieg er, ausgerüstet mit seinem Grubenlicht, abends allein in den Berg. Um den Ausgang wiederzufinden, hinterließ er anfangs an den Wänden Markierungen und stellte von Mal zu Mal eine Fackel auf.

Dann ging es weiter, immer weiter hinein in das Höhlenlabyrinth. Noch brannte sein Grubenlicht hell. In dessen Lichtschein sah er Zauberhaftes: funkelnde Traumwelten aus Stein und Wasser – nach einer gewagten Kletterpartie erreichte er eine besonders weitläufige Grotte mit einem kleinen See darin. Und überall bemerkte er glitzernde Zapfen, die von den Höhlendecken herab wuchsen, oft mehrere Ellen lang – und vom Boden warfen sie sich ebenso auf wie seltsame Berggeister, Gnome und Zwerge.

Über einen dieser Zapfen aber stolperte Baumann, und sein so unersetzliches Grubenlicht erlosch. Die Fackeln waren längst niedergebrannt – undurchdringliche Finsternis umgab ihn. Wo waren die eingeschlagenen Zeichen an den Wänden? Als Blinder tastete er sich mit Händen und Füßen durch die Gänge, änderte die Richtung, und wieder, und blieb irgendwann erschöpft liegen.

Wieder aufwachend, tastete er sich weiter. War es ein neuer Tag? Den Brotkanten hatte er schon längst verzehrt, und nun begannen ihn der Mut und die Kraft zu verlassen. Doch immer weiter quälte er sich in den Schlünden der Höhle. Als er erneut einschlief, sah er sich im Traum als Bub mit seinem Vater zur heimatlichen Hütte wandern, aber als er aufwachte, wartete er auf Gevatter Tod. Für jedes weitere Suchen fehlte ihm die Kraft.

Da, von fern, ein schwacher Lichtstrahl! Mit letzter Kraft schleppte sich der Bergmann darauf zu und kroch durch die schmale Felsspalte zurück in die Oberwelt. Friedrichs Freunde fanden den zu Tode Geschwächten ohnmächtig vor dem Höhleneingang und brachten ihn zur Mutter in die heimatliche Hütte. Nach weiteren drei Tagen kam der Tod zu Friedrich Baumann. Aber zuvor wachte der Bergmann noch einmal aus seinen wirren Träumen auf, und er erzählte in stockenden, doch klaren Worten von den Merkwürdigkeiten, die er gesehen.

Die Glocken läuteten, das Grab wurde geschaufelt – aber in der Höhle fand man alles so vor, wie es der Bergmann in seinen letzten Worten beschrieben hatte. Ein späterer Besucher soll sogar eine Schatztruhe in der Höhle gesehen haben. Aber die wurde von einem fürchterlichen schwarzen Hund bewacht – mit glühend rollenden Augen und einem Wolfsgebiss.

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Die Sage von den Bergwerken auf dem Rammelsberg

Die Bergwerke auf dem Rammelsberg

Die Sage von den Bergwerken auf dem Rammelsberg

Die Sage von den Bergwerken auf dem Rammelsberg
Illustration Luise Bussert, "Die schönsten Sagen aus dem Harz"

Kaiser Otto, der Erste dieses Namens, hat oftmals nicht weit von Goslar auf der Harzburg seinen Hof gehalten. Im Harzgebirge hat er jagen lassen, und so begab es sich, dass einer von seinen vornehmen Jägern, Ramm genannt, auf Befehl des Kaisers wieder einmal an den Vorbergen des Harzes auf die Jagd ging. Wie er aber an einen Berg gekommen ist und dem Wild des steilen Aufstiegs wegen nicht weiter mit dem Pferde nacheilen konnte, band er sein Pferd an einen Baum an und folgt zu Fuße dem Wild nach. Nun blieb der Jäger freilich etwas lange aus, denn es dauerte, um das Wild endlich zur Strecke zu bringen.

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Deshalb wurde das Pferd ungeduldig und scharrte nach Pferdeart heftig mit den Vorderfüßen, immer wieder an der gleichen Stelle des Waldbodens. Als der Ritter Ramm mit dem erlegten Wild zurückkam – wollte er seinen Augen nicht trauen. Sein Ross hatte den Felsen freigelegt, der nun in der Sonne glänzte wie ein silbriges Schild.

Der Ritter Ramm sammelte einige Proben und nahm sie mit auf die Harzburg, um sie dem Kaiser zu zeigen – nachdem er dem Koch sein Wildbret übergeben hatte. So wurde eine der mächtigsten Silberadern in deutschen Landen entdeckt. Kaiser Otto befahl den Beginn des Bergbaus. Den Ort aber benannte er nach seinem Jäger Rammelsberg. Die sich nun entwickelnde Stadt Goslar und das sie durchfließende Flüsschen Gose erhielten ihren Namen nach des Jägers Frau: Gose.

Lästerzungen behaupten allerdings, dass der Berg seinen Namen nicht von dem Jäger, sondern von dem Pferd bekommen habe, welches von seinem Herrn einstens Ramm genannt worden sei.

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Die Sage von Heinrich dem Löwen und wie er zu seinem Namen kam

Wie Heinrich der Löwe zu seinem Namen kam

Die Sage von Heinrich dem Löwen und wie er zu seinem Namen kam

Die Sage von Heinrich dem Löwen und wie er zu seinem Namen kam
Illustration Luise Bussert, "Die schönsten Sagen aus dem Harz"

Vorzeiten zog Herzog Heinrich, der edle Welfe, ins Gelobte Land. Das tat er zur Buße, denn er hatte sich mit seinem Kaiser überworfen. Seine Frau Mathilde musste er zurücklassen.

Viele Gefahren musste der Herzog im Morgenland bestehen. Einmal befand er sich in einem wilden Wald. Hier sah er einen fürchterlichen Lindwurm gegen einen Löwen streiten, und der Löwe schwebte in großer Not. Weil aber der Löwe für ein edles und treues Tier gilt und der Wurm für ein böses, giftiges, sprang Heinrich dem Löwen bei. Der Lindwurm schrie und wehrte sich lange Zeit. Endlich gelang es dem Helden, ihn mit seinem guten Schwert zu töten. Da nahte sich der Löwe, legte sich zu des Herzogs Füßen neben den Schild auf den Boden und verließ ihn nimmermehr von dieser Stunde an.

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Nach langen Reisen und Zeit in der Fremde überlegte Heinrich, wie er aus dieser Einöde und der Gesellschaft des Löwen wieder zu seiner Frau gelangen könnte. So baute er sich ein Floß aus zusammengelegtem Holz, mit Reis durchflochten, und setzte es aufs Meer. Als nun einmal der Löwe in den Wald jagen gegangen war, bestieg Heinrich sein Fahrzeug und stieß vom Ufer ab. Der Löwe aber kam bald zum Gestade, sah das Floß am Horizont – und sprang in die Wogen und schwamm so lange, bis er das Floß erreichte, wo er sich ruhig niederlegte.

So fuhren sie gemeinsam auf den Meereswellen, doch bald überkam sie Hunger und Elend. Zu allem Überdruss erschien dem Herzog der böse Teufel und sprach: »Herzog, ich bringe dir Botschaft; du schwebst hier in Not auf dem offenen Meere, und daheim zu Braunschweig ist lauter Freude und Hochzeit. Denn heute Abend hält ein Fürst aus fremden Landen Beilager mit deinem Weibe. Die gesetzten sieben Jahre seit deiner Ausfahrt sind verstrichen.«

Traurig versetzte Heinrich, das möge wahr sein, doch wolle er sich an Gott wenden, der alles wohl mache. »Du redest viel von Gott«, sprach der Versucher, »der hilft dir nicht aus diesen Wasserwogen. Ich aber will dich noch heute zu deiner Gemahlin führen, wenn du mein sein willst.«

Sie redeten hin und her, denn der Herzog wollte sein Gelübde gegen Gott nicht brechen. Da schlug ihm der Teufel vor, er wolle ihn ohne Schaden – erst ihn und dann den Löwen – noch heut‘ abend auf den Giersberg vor Braunschweig tragen und hinlegen. Da solle er seiner warten. Finde er ihn aber nach seiner zweiten Ankunft schlafend, so sei er ihm und seinem unterirdischen Reiche verfallen. – Der Herzog, von heißer Sehnsucht nach seiner geliebten Gemahlin gequält, ging darauf ein und hoffte auf des Himmels Beistand. Da ergriff ihn der Teufel, führte ihn schnell durch die Lüfte bis vor Braunschweig, legte ihn auf dem Giersberg nieder und rief: »Nun wache, Herr! Ich kehre bald wieder.«

Heinrich aber war auf ‘s höchste ermüdet, er kämpfte vergeblich gegen den Schlaf. Inzwischen fuhr der Teufel zurück um auch den Löwen abzuholen; es währte nicht lange, so kam er mit dem treuen Tier dahergeflogen. Als nun der Teufel, noch aus der Luft herunter, den Herzog auf dem Giersberge ruhen sah, freute er sich schon im voraus.

Er hatte gewusst, dass der Fürst würde schlafen müssen, denn die Anstrengungen der Floßfahrt forderten ihren Tribut. – Allein der Löwe, der seinen Herrn für tot hielt, hub laut zu brüllen an, so dass Heinrich in demselben Augenblick erwachte. Da sah der Böse sein Spiel verloren und bereute es bitter, das wilde Tier herbeigeholt zu haben. Er warf den Löwen aus der Luft zu Boden, dass es krachte.

Zur Burg war Heinrichs nächster Gang, und der Löwe folgte ihm immer nach. Großes Getön scholl ihnen entgegen. Er wollte in das Fürstenhaus treten, da wiesen ihn die Diener zurück. »Ich bitte nur«, sagte der Herzog, »die Braut um einen Trunk Wein, mein Herz ist mir ganz matt.« Da lief einer von den Leuten hinauf zur Fürstin und hinterbrachte den Wunsch des Fremden, dem ein Löwe mitfolge, um einen Trunk Wein. Die Herzogin verwunderte sich, füllte ihm ein Glas mit Wein und sandte es dem Pilgrim. »Wer magst du wohl sein«, sprach der Diener, »dass du von diesem edlen Wein zu trinken begehrst, den man allein der Herzogin einschenkt?«

Der Pilgrim trank, nahm seinen gold‘nen Ring und warf ihn in den Becher und hieß diesen der Braut zurücktragen. Als diese den Ring erblickte, worauf des Herzogs Schild und Name geschnitten war, erbleichte sie, stand eilends auf und trat an die Zinne, um nach dem Fremdling zu schauen. Sie war des Herrn inne, der da mit dem Löwen saß. Sie ließ ihn in den Saal entbieten und fragen, wie er zu dem Ringe gekommen wäre und warum er ihn in den Becher gelegt hätte. »Von keinem hab ich ihn bekommen, sondern ihn selbst genommen, es sind nun länger als sieben Jahre; und den Ring hab ich hingelegt, wo er billig hingehört.«

Als man der Herzogin diese Antwort hinterbrachte, schaute sie den Fremden genau an und fiel vor Freude zu Boden, weil sie ihren geliebten Gemahl erkannte. Sie bot ihm ihre weiße Hand und hieß ihn willkommen. Dem jungen Bräutigam aber wurde ein schönes Fräulein aus Franken angetraut, und damit war er zufrieden.

Hierauf regierte Herzog Heinrich lange und glücklich in seinem Reich. Als er in hohem Alter verstarb, legte sich der Löwe auf des Herrn Grab und wich nicht davon, bis auch er verschied. Das Tier liegt auf der Burg begraben, und seiner Treue zu Ehren wurde ihm eine Säule errichtet.

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Die Sage von der Prinzessin Ilse

Prinzessin Ilse

Die Sage von der Prinzessin Ilse

Die Sage von der Prinzessin Ilse
Illustration Luise Bussert, "Die schönsten Sagen aus dem Harz"

Mächtiger denn heute ragte in alten Zeiten der Gipfel des Ilsensteins empor, damals, als er mit dem gegenüberliegenden Westernberge noch ein Ganzes bildete. Auf seiner Höhe aber thronte König Ilsungs Schloss. Eine liebliche Tochter, Ilse geheißen, war die Freude und der Stolz des greisen Fürsten. Manch‘ edler Ritter zog auf die Burg, um der schönen Ilse zu huldigen.

Mit Neid sah das eine Frau, deren Haus nicht fern von dem königlichen Schlosse lag. Auch sie besaß eine Tochter, so alt wie Ilse. Aber kein Mensch hatte die rothaarige Trude mit den bösen Augen und den gehässigen Reden gern. Obgleich ihre Mutter reich an Schätzen war, ja reicher vielleicht als der König, so mochte doch keiner der Jünglinge die Trude zum Weibe haben. – Auch die Alte wurde von allen gemieden, denn man sagte von ihr, dass sie eine böse Zauberin sei.

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Einst nun wollte ein Wanderer hinauf zur Ilsenburg. Indessen war er vom weiten Weg so erschöpft, dass er bei der Alten und ihrer Tochter eine kurze Rast zu machen beschloss. Als nun Trude den Fremdling erblickte, bat sie die Mutter dringend, alle ihre Künste anzuwenden, um den Fremdling zu fesseln, damit er ihr Gemahl werde. Gern gab die Mutter den Bitten der Tochter nach – sie wünschte von Herzen, Trude als die Gattin des vermutlich vornehmen Ritters zu sehen. Heimlich tropfte sie dem Jüngling im Schlaf ein Zaubergebräu in die Augen. Die Hexerei gelang! – Junker Rolf blieb wirklich im Hause der Alten, und, was keiner vor ihm getan, er huldigte der Hexentochter! Man rüstete zur Hochzeit.

Einst aber schlenderte der Jüngling allein durch den Wald, kam in die Nähe des Schlosses und erblickte die Prinzessin Ilse. Da war es um ihn geschehen! Sich das erste Mal sehen und verlieben – war eins. Der Eindruck war so mächtig, dass der Zauber der Hexe davor schwand. Als er zurückkehrte zu Trude, konnte er nicht begreifen, wie sie ihm so lange gefallen hatte. Trude merkte die Veränderung und geriet vor Wut außer sich. Schließlich entriss sich Rolf den Banden, in denen die bösen Frauen ihn hielten, eilte hinüber zur Burg Ilsungs und bat den König, ihm Gastfreundschaft zu gewähren. Freundlich bewillkommten der alte Ilsung und seine Tochter den fremden Junker.

Die verlassene Trude schrie und jammerte tagaus tagein. Die Witwe suchte ihr ungebärdiges Kind zu beruhigen; aber nichts half; und als nun gar die Kunde zu den Ohren Trudes drang, dass König Ilsung seine Tochter mit dem Junker Rolf verlobt habe, da kannte ihre Wut keine Grenzen. Die Mutter blickte mit unheimlich racheglühenden Augen ihr ins Antlitz.

»Harre der Mainacht, Kind,« sprach die Alte dann in dumpfen Ton. Hierauf verließ sie Trude und betrat das Gewölbe, in welchem sie ihre schwarze Kunst betrieb. Welch schauriger Aufenthalt! Ringsumher lagen Gebeine, und Totenköpfe grinsten mit ihren hohlen Augen unheimlich aus den Ecken. Die Zauberin begann ein geheimnisvolles Treiben. Oft sahen sie jetzt Köhler um Mitternacht den Wald durchwandern, Molche und Schlangen fangen und nach Wurzeln und Kräutern suchen.

»Harre der Mainacht!« hatte die Alte zu ihrer Tochter gesagt, und jetzt endlich nahte die Zeit. In der Nacht des ersten Maientages herrschte reges Treiben; da ritten die Hexen auf Böcken und Besenstielen durch die Luft nach dem Brocken, feierten ihr Fest und tanzten zum Schlusse den Schnee von dem Gipfel. Sonst war auch Trudens Mutter unter dieser unheimlichen Gesellschaft; aber jetzt begab sich die Alte auf eine Höhe, von der aus der Ilsenstein zu übersehen war. Hier zündete sie ein helles Feuer an und hob einen großen Kessel darüber. Kurz darauf brodelte und prasselte es gewaltig darin.

Die Nacht war rabenschwarz. Die Wolken hingen schwer vom Himmel hernieder. In die Finsternis hinein malte die Hexe mit ihrem Zauberstab geheimnisvolle Zeichen, beschwor die Geister des Wassers, der Luft und der Berge. Immer düsterer umzog sich der Himmel, – da plötzlich – wie eine feurige Schlange, zuckte ein Blitz hernieder! Der Himmel war anzuschauen wie ein Feuermeer, und das Getöse des Donners fand kein Ende. Dazu strömten aus den Wolken unaufhaltsame Regengüsse hernieder, auf den Bergen und in den Thälern schmolz der Schnee, und große Wassermassen wälzten sich von den Höhen durch die Thäler, immer reißender, immer verheerender werdend. Bäume und Klippen wurden von der Wucht der stürzenden Wasser fortgerissen und mit donnerndem Getöse gegen die Felswände geschleudert, so dass diese in ihren Grundfesten erzitterten.

Erschreckt von dem Unwetter waren die Bewohner des Ilsensteins erwacht und hinausgestürzt. Finsternis verhüllte ihren Augen noch die furchtbare Lage, in der sie sich befanden; aber das Donnern der stürzenden Klippen und das Rauschen des entfesselten Wassers sagte ihnen, was sie zu fürchten hätten. Allein schlimmer noch, als es irgend einer der Schlossbewohner geahnt, stand es um den Ilsenstein; Klippe um Klippe löste sich von dem Anprall der vom Brocken stürzenden Fluten, der Burg drohte der nahe Untergang. Der König, Rolf und Ilse flüchteten sich höher den Berg hinan, und von hier aus sahen sie bald ihren geliebten Ilsenstein mit furchtbarem Getöse hinabstürzen in die Tiefe.

Und immer noch wütender raste das Wetter, immer näher traten den Flüchtigen die alles überschwemmenden Wassermassen. Da – ein erneuter Anprall der entfesselten Elemente, und der Felsen mit dem König und der Prinzessin Ilse sank in die Tiefe. Auf einer Anhöhe, die vom Untergange verschont geblieben, hatten mehrere Köhler gestanden und mit Entsetzen dem grausigen Schauspiel zugesehen. Sie sahen die Schlossbewohner in den Fluten versinken, bemerkten aber auch, als Ilse langsam hinabsank, eine mächtige Gestalt, welche die Prinzessin aufhob und forttrug. Vermutlich war es ein Berggeist, der die Jungfrau rettete und in sein Bergschloss führte.

Die Zauberin und Trude schauten dem Untergang triumphierend und schadenfroh zu. Jetzt versank die gehasste Ilse in den Fluten! Trude jauchzte auf bei diesem Anblick; nun würde Rolf zu ihr zurückkehren. Denn nur um den König und sein Kind zu verderben, waren die Wasser entfesselt worden. – Aber Trude hatte zu früh gejubelt; plötzlich stürzte vor ihren Augen auch Rolf in die Tiefe und verschwand in den brausenden Wassern.

Anfangs stand sie starr und konnte das Unbegreifliche nicht fassen; hatte doch ihre Mutter gesagt, ihrem Liebsten würde kein Leid geschehen. Als sie aber sah, dass alles verloren war, da stieß sie einen gellenden, verzweifelten Schrei aus und stürzte sich selbst dem Junker nach, hinab in die Flut.

Die Mutter hatte dem wahnsinnigen Tun ihres Kindes nicht wehren können, zu schnell war alles gekommen. Jetzt sank sie zu Boden und raufte ihr graues Haar, sich anklagend, dass sie allein die Schuld trage an dem Tode ihres geliebten Kindes. Keiner hat die alte Hexe je wieder gesehen; ihr Haus zerfiel in Schutt und Moder. Als die Schneemassen geschmolzen und mit dem Toben des Wetters auch die Wasser
verschwunden waren, sah man, dass die Fluten den Ilsenstein auseinander gespalten hatten. Ein Bach, fortan nach der Prinzessin Ilse genannt, schlängelte sich durch die Felsentrümmer, deren einer der Ilsenstein heißt, während der jenseitige andere der Westernberg genannt wird.

Die holde Königstochter aber wohnt noch immer im Ilsenstein. Schon mancher hat sie gesehen, wenn sie im schimmernden Gewande, die Krone auf den blonden Haaren, aus dem Felsspalt hervorgetreten ist. Dann hat sie sich im Wasser der Ilse gebadet und ist mit Sonnenaufgang wieder verschwunden.

Alle, welche sich der Prinzessin keuschen Herzens nähern, überschüttet sie mit Wohltaten. Demjenigen dagegen, der arglistigen Herzens die Badende überraschen will, sprengt sie Wasser in die Augen und verwandelt ihn in eine alte, zottige Tanne. Es stehen der Tannen gar viele In ihres Bades Näh’, – Es hat sie alle verzaubert, Die keusche Wasserfee.

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Der Regenstein

Die Sage vom Regenstein

Nördlich von Blankenburg erheben sich aus sandiger Fläche mächtige, schroffe Sandsteinfelsen, welche den Namen Reinstein oder Regenstein führen. Der Felsenberg soll schon den Germanen einst als Versammlungsort gedient haben.

Auf den Felsenbildungen sind noch die Überreste der Burg Reinstein erhalten, deren Erbauung in ganz alte Zeiten zurückreicht und höchst mühevoll und schwierig gewesen sein muss. Die Gründer der Burg sind der Nachwelt nicht übermittelt, doch erzählt die Sage, dass der Bau schon 479 von den Sachsen ausgeführt und dem tapferen Häuptling Hatebold aus Dankbarkeit zum Geschenk gemacht sei, weil er Melverich, den König der Thüringer, siegreich bekämpft hatte.

Mit unbeschreiblichem Fleiße und großer Ausdauer muss diese Feste hergestellt sein; denn alle Gemächer, die Kirche und die Gewölbe, welche als Gefängnisse dienten, sind unmittelbar in das harte Gestein hineingemeißelt.

Innerhalb der Mauern, die einst von dem Jammern und Klagen der Gefangenen widerhallten, ist es heute ruhig. Herrliche Aussicht in die Ebene bietet sich, die besonders reizvoll an einem Vorsprunge ist, welcher »der verlorene Posten« genannt wird.

Die Benennung stammt von einem seltsamen Vorfall, der sich an diesem Orte vor Jahren zugetragen hat. Damit die Feinde sich nicht heimlich durch den Vogelsang, ein am Fuße des Reinsteins liegendes Tal, der Festung nähern konnten, war an diesem Vorsprung ein Posten ausgestellt. Einst, bei heftigem Unwetter, suchte die Schildwache Schutz in dem nahestehenden Schilderhäuschen; dieses aber wurde von einem Windstoße losgerissen und mitsamt dem Soldaten in die Tiefe geschleudert. Als man aber am nächsten Morgen erschreckt das Unglück wahrnahm und die Leiche des Zerschmetterten aufsuchen wollte, saß der Soldat zum Staunen aller wohlgemut auf einem Steine und harrte der Hilfe: nur eine leichte Verletzung des Fußes hinderte ihn am Gehen.

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In der Nähe des verlorenen Postens befindet sich das Burgverließ, an welches sich folgende Sage knüpft:

Da noch die Reinsteiner im Besitze der Burg waren und arg als Raubritter hausten, hatte sich einer der Grafen die Tochter des Ritters von Heimburg zum Weibe auserkoren. Das Edelfräulein aber hasste den grausamen und wilden Mann und weigerte sich, demselben anzugehören. Darüber erzürnt, sann dieser auf Rache oder einen Zufall, der ihm das Mädchen in die Hände führen werde. Endlich glückte ihm sein abscheulicher Plan. Als das ahnungslose Edelfräulein sich einst allein eine Strecke von ihrem Schloss entfernt hatte, überfiel der Ritter die Erschreckte und entführte sie auf seine Burg. Hier stellte er es Leonoren frei, ob sie gutwillig sein Weib werden oder drunten im schauerlichen Burgverließ schmachten wolle; auf die Hilfe ihrer Verwandten dürfe sie nicht hoffen, da keiner von ihrem Verbleib eine Ahnung habe. Die Unglückliche wusste sehr wohl, welche Qualen im dumpfen Kerker ihrer warteten; aber trotzdem blieb sie beharrlich bei ihrer Weigerung; lieber tot, als diesem Verhassten angehören!

Schreckliche Tage folgten. Kein Lichtstrahl, kein Laut drang in das schauerliche Gewölbe; Leonore war es, als sei sie lebendig begraben. Durch eine kleine Öffnung erhielt sie Speise und Trank; genug um ihr Leben zu fristen, zu wenig, um den nagenden Hunger zu stillen. Durch den Mangel an Nahrung hoffte der Graf die Gefangene zu beugen und zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Aber Leonore war fest entschlossen, das Äußerste zu ertragen; sie hoffte noch immer auf irgendeinen rettenden Zufall – umsonst; es war trotz aller Nachforschungen den Eltern unmöglich, ihren Aufenthalt zu erkunden, und die Tochter wurde längst als tot betrauert.

Aber der Wunsch, zu leben und wieder frei zu sein, ließ Leonore nicht verzagen; Tag und Nacht sann sie auf eine Möglichkeit, sich selbst zu befreien. Da, als die Herbststürme die Burg umbrausten, hörte die Gefangene an dem Rauschen, welches an ihr Ohr schlug, dass die Wand, die sie von draußen trennte, nicht allzu stark sein könne. Hätte sie nur ein Werkzeug gehabt, das Gestein zu durchbrechen! Plötzlich gedachte sie ihres Ringes, den ein selten großer Diamant schmückte. Sie wusste, welche Härte dieser Edelstein besitzt und versuchte, mit demselben eine Vertiefung in die Mauer zu kratzen.

Welch ein Hoffnungsstrahl! Das harte Gestein zerbröckelte unter dem eifrigen Schaben. Jetzt gönnte sie sich kaum die nötige Ruhe und arbeitete mit dem Eifer der Verzweiflung an ihrem mühsamen Werke. Monatelang hatte sie sich schon geplagt: endlich drang ein winzig kleiner Lichtschimmer in das finstere Gewölbe. Wonnetrunken über dem langentbehrten Anblick warf sich Leonore auf die Kniee. Sorgfältig musste sie nun die Spuren ihrer Befreiungsarbeit vor jedermanns Augen verbergen, und als mehr denn ein Jahr vergangen war, konnte sie an die Flucht denken. Eine mondhelle Nacht hatte die mutige Leonore zur Ausführung ihres Planes ausgesucht, damit sie nicht abermals ihrem Verfolger in die Hände falle.

Mühsam zwängte sie sich durch die enge Öffnung und wollte eiligst weiterfliehen, als sie zu ihrem Entsetzen einen furchtbaren Abgrund vor sich erblickte. Kein anderer Ausweg war erreichbar; was sollte die Geängstigte beginnen? Zurück in den Kerker? Abermals sich in die Gewalt ihres Peinigers begeben? Nein, lieber zerschmettert dort unten in der Tiefe liegen! Ein kurzes Gebet um Hilfe, und Leonore begann ihre gefährliche Wanderung; sie klomm von Klippe zu Klippe; die furchtbare Angst gab ihr die Kraft, das Unmögliche zu vollbringen. Wohl waren Hände und Kniee verwundet vom scharfen Geklipp; aber die Fliehende achtete nicht der Schmerzen; – vorwärts, nur vorwärts!

Endlich war das Tal erreicht; mit Aufbietung der letzten Kräfte jagte Leonore fort, bis sie, zu Tode ermattet, vor den Toren ihrer väterlichen Burg zusammenbrach.

In die Freude der Eltern über die Rückkehr des längst totgeglaubten Kindes mischte sich der Zorn über die Untat des Ritters von Reinstein. Im Verein mit zahlreichen Verwandten und Freunden belagerten die Heimburger dessen Burg; allein trotz Aufbietung aller Kräfte war es ihnen unmöglich, das Felsennest einzunehmen. Ungerächt aber durfte die Grausamkeit des Ritters nicht bleiben; so griffen seine Feinde zur List. Die Belagerung wurde aufgehoben. Als der Reinsteiner das Abziehen der Truppe gewahrte, dem Frieden aber doch nicht recht traute, ließ er schleunigst die Bauern der Umgegend entbieten, ihm Lebensmittel zu bringen, damit, falls seine Feinde zurückkehren sollten, die Burg auf längere Zeit versorgt wäre.

Auf diesen Befehl hatten die anderen nur gewartet, und als Bauern verkleidet führten sie selbst die Wagen in den Hof. Hier angelangt, warfen sie die Kittel ab, stachen die Wachen nieder und drangen in die Burg, den gehassten Reinsteiner zu ergreifen oder zu töten. Anfangs verbarg sich dieser in einem sicheren Gewölbe; als er jedoch sah, dass alles verloren und seine Burg nicht mehr den Händen der Feinde zu entreißen sei, da dachte er an die Erhaltung des Lebens. In Betten verschnürt, ließ er sich von der steilsten Höhe des Berges hinabwinden, und da man nicht daran gedacht hatte, an diesem unwegsamen Ort Wachen aufzustellen, gelang ihm die Flucht.

So entkam der Graf von Reinstein zwar den rächenden Händen seiner Feinde; aber arm und heimatlos ist er noch lange Jahre umhergeirrt, und keiner weiß, wo der einst gefürchtete Ritter gestorben ist. Seine Burg kam in den Besitz des Geschlechts der Heimburger, und als Leonore später einen braven und tapferen Ritter heiratete, wurde ihr die Burg zum Hochzeitsgeschenk gemacht. Wo sie einst so schweres Leid erduldet hatte, lebte sie noch viele Jahre froh und glücklich.

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Lügenstein, Teufel

Der Lügenstein zu Halberstadt

Die Sage vom Lügenstein zu Halberstadt

Lügenstein, Teufel
Illustration Luise Bussert, "Die schönsten Sagen aus dem Harz"

Lange noch bevor Burkhard II., genannt Bischof Buko zur Herrschaft kam, legte Hildegren, der erste Bischof zu Halberstadt, den Grundstein zur Domkirche auf einer Anhöhe, wo ehemals die Heiden ihre Opferaltäre errichtet hatten. Viele geschickte Arbeiter wurden herbeigerufen, und schnell schritt der Bau der Kirche vorwärts.

Als der Teufel die Grundmauern desselben sah, glaubte er, hier würde ein großes Wirtshaus errichtet! Und weil ihn das freute, schleppte er des Nachts große Felsmassen herbei und half heimlich die Mauern weiter bauen. Meister und Gesellen waren ganz verwundert, wie schnell ihre Arbeit vonstatten ging. Keiner ahnte den wahren Grund. Da, in einer Nacht, als der Bau schon ziemlich weit fortgeschritten war, trat der Teufel hinein, um sich einmal das Innere zu besehen. Aber da war kein Schankraum – voller Wut gewahrte er statt dessen die Zurüstungen zum Gewölbe und die großen Stufen zur Chortreppe.

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Jetzt erst wurde ihm klar, welchem Zwecke dieses Gebäude dienen sollte und welch dummer Teufel er wieder einmal gewesen war, an einem Bau zu helfen, in welchem die Christen sich Mut und Kraft erflehen wollten, um den Lockungen des Bösen zu widerstehen.

Als in der Frühe des nächsten Morgens die Gesellen an ihr Werk gingen, sahen sie mit Schrecken hoch oben auf dem Bau den Teufel, einen riesigen Felsblock in den Klauen haltend. »Seht,« rief er zu ihnen herab, »weil ich glaubte, Ihr bautet ein Wirtshaus, habe ich unermüdlich mit geholfen; jetzt aber, da es mir klar geworden, dass ich betrogen bin, dass meine Arbeit umsonst war, zerschmettere ich den ganzen Bau und begrabe Euch unter den Trümmern!«

Lügenstein, Geselle
Illustration Luise Bussert, „Die schönsten Sagen aus dem Harz“

Alle waren bei diesen Worten entsetzt und stumm vor Schreck, nur ein kecker Geselle trat vor und rief: »Lass ab von Deinem Vorhaben, Fürst der Hölle, und höre erst, was ich Dir sagen will. Wenn Dir’s so sehr verlangt, ein Wirtshaus hier an diesem Orte zu sehen, so wollen wir Deinen Wunsch erfüllen und dicht neben den Dom in kürzester Zeit eine Schenke bauen. Bist Du’s zufrieden?« Der Teufel war mit dem Vorschlag einverstanden.

Aber damit die Gesellen ihr Versprechen nicht vergessen sollten, schleuderte er, als Mahnung an den Vertrag, den großen Stein auf den Domplatz, wo derselbe noch heute liegt. Die Vertiefung, welche sich darin befindet, hat der glühende Daumen seiner Hand beim Tragen hineingedrückt.

Bald erhob sich denn auch neben dem Dom ein Häuschen mit mächtigen Kellern, der Domkeller genannt. Damit aber war der Wunsch des Bösen erfüllt. Der Dombau konnte ungehindert vollendet werden; er wurde am 9. November 859 im Beisein vieler Fürsten, Bischöfe und Priester eingeweiht.

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Daneilshöhle

Die Daneilshöhle

Die Sage von der Daneilshöhle

Daneilshöhle
Illustration Luise Bussert, "Die schönsten Sagen aus dem Harz"

Es kam einmal, dass der alte steinerne Roland auf dem Markt zu Halberstadt ein Beichtvater wurde, und zwar der Beichtvater eines armen geängstigten Weibes, welches dadurch aus seinem Unglück gerettet wurde. Die Sache aber verhielt sich so. Nördlich von der Stadt, etwa eine Meile Weges, breitet sich ein dunkler, bewaldeter Höhenzug; von seinem Gipfel grüßen die Türme eines alten Klosters den Wanderer. Viel hat der Wald geschaut in alter, wildbewegter Zeit.

Ritter und fromme Mönche, Wegelagerer und allerlei verlorenes Volk haben hier gehaust. Dröhnende Schwerthiebe tapferer Krieger mischten sich mit Orgeltönen, Kampfrufe und Schelmenlieder mit dem frommen Ave der Mönche. Was könnten die Bäume alles erzählen, deren Rauschen so wohltuend uns umfängt! Selbst auf den großen Schwedenkönig haben sie einst herabgeschaut und haben ihm Schatten gespendet auf beschwerlichem Marsche, als den Helden sein Siegeszug durch ihr Revier führte.

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Am nördlichen Abhang des Berges nun, auf welchem sich das Kloster erhebt, findet man eine künstlich ausgehauene Felsenhöhle. Hier lebte einst ein Räuber, Daneil geheißen. Das war ein grimmiger Geselle, der die ganze Umgegend in Angst und Schrecken versetzte. Keiner hatte eine Ahnung, wo sich sein Schlupfwinkel befand; wohlweislich verschonte er die nächste Nachbarschaft mit seinen Überfällen und Raubzügen. Zudem war er so vorsichtig, seinem Pferde die Hufeisen verkehrt aufzuschlagen, damit dessen Spuren nicht zu Verrätern werden könnten. Spät am Abend, wenn es dunkelte, zog er hinaus und vor Tagesanbruch kehrte er schon heim; kein Mensch in dieser Gegend sollte ihn erblicken. Er selbst aber sah jeden, der sich seiner Höhle nahte; denn verborgene Drähte, welche im Innern mit kleinen Glocken in Verbindung standen, hatte er mit grosser Schlauheit rings um seine Behausung gelegt. Sowie ein Fuß diese Drähte berührte, gaben die Glöckchen ihm ein Zeichen.

Daneilshöhle, kleine Glocken
Illustration Luise Bussert, „Die schönsten Sagen aus dem Harz“

Eines Morgens hatte er sich eben zum Schlafen hingestreckt, als der Ton einer Glocke ihn störte. Schnell sprang er auf, um zu sehen, ob ihm Gefahr drohe, als er ein anmutiges Mädchen gewahrte, welches emsig beschäftigt war, Haselnüsse zu pflücken.

Leise schlüpfte Daneil aus der Höhle – und rücklings überfiel er das erschreckte Mädchen und trug es mit seinen starken Armen in die Höhle. Kein Flehen, kein Bitten erlöste die Maid aus der Gefangenschaft – sie fand kein Gehör bei dem Bösewicht. Das trostlose Hannchen musste bei ihm bleiben; schon lange hatte der Wilde sich nach einer Frau gesehnt, die ihm das Essen kochen und seinen Schlupfwinkel behaglicher gestalten sollte. Hannchen wurde also die Frau des Räubers, und er zwang sie, ihm heilige Schwüre zu leisten, dass sie ihn nie verlassen, noch irgend welchem lebenden Wesen verraten werde. Der Schwur des Weibes beruhigte Daneil vollkommen. Er hatte bald erkannt, wie gottesfürchtig sie war und dass sie nie eine so schwere Sünde wie den Bruch solch eines feierlichen Gelöbnisses begehen werde.

Das gefangene Hannchen aber war todunglücklich, dass es so allein bleiben musste bei dem, der ihr in tiefster Seele verhasst war. Schenkte der liebe Gott ihr zum Trost ein Kindlein, so tötete der Unmensch es sofort, damit das Geschrei desselben ihn nicht verraten könnte!

Sechs Jahre hatte Hannchen schon in der Höhle zugebracht, und alle Bitten, ihr doch zu gestatten, nur einmal wieder durch den schönen Wald zu wandern, waren vergeblich. Aber immer wieder bat und flehte sie, so dass Daneil ihr endlich erlaubte, bis nach Halberstadt zu gehen. Doch musste sie zuvor noch einmal ihre Schwüre wiederholen und ihm geloben, dass sie sofort nach Sonnenuntergang zurückkehren werde.

So schritt sie hinaus in die Dämmerung eines herrlichen Sommermorgens. Die Schleier der Nacht lagen noch leicht auf Wald und Feld; kein Laut unterbrach die Stille. Allein die Arme eilte hastigen Schrittes weiter. Sie wollte die Vaterstadt wiedersehen und durfte sich nicht verspäten. Nur manchmal hielt sie inne; das über sie verhängte Leid schien ihr zu schwer. Der Schwur hielt sie wie mit eisernen Ketten gefesselt; es war ein entsetzliches Schicksal.

So erreichte sie Halberstadt. Träumend von vergangenen Zeiten durchschritt die arme Frau langsam die stillen Straßen. Schon wollte sie heimkehren und schritt eben über den Marktplatz, als vor ihren Augen plötzlich der mächtige Roland stand – das Schwert hoch erhoben, mit drohenden Blicken auf sie niederstarrend. Entsetzt schaute die Unglückliche auf den steinernen Riesen, vor dem schon manche verborgene Sünde ans Tageslicht gekommen war. Es zwang sie wie mit eiserner Gewalt, sich niederzuwerfen und um Rettung zu flehen. Ihr Herz war zu voll von erduldetem Leid! Sie musste es erleichtern, und der Roland war ja kein lebendes Wesen. Ihm durfte sie beichten. Alles Schreckliche teilte sie mit, und in der Aufregung sprach sie lauter und lauter.

Ein Diener des Gerichts aber kam des Weges und sah vor dem Roland das knieende Weib. Erstaunt blieb er stehen, leise schlich er sich dann näher, um die Knieende nicht zu stören. Sein Staunen steigerte sich noch, als er hörte, dass sie eine förmliche Beichte ablegte. Und als er sie endlich von Totschlag und Mord sprechen hörte, da wurde es ihm klar, dass die Aussagen dieser Beichtenden zur Entdeckung eines schrecklichen Geheimnisses führen müssten. So fasste er sie am Arm, bot alle Beredungskunst auf, das Geheimnis herauszulocken; aber umsonst, es war ihr unmöglich, den Schwur zu brechen. Da wurde ein Priester geholt, und erst nachdem dieser sie ihres Schwures entbunden, offenbarte die Unglückliche ihr schreckliches Leid.

Wie froh war man, endlich des gefürchteten Daneil habhaft zu werden! Hannchen musste versprechen, beim Einfangen des Schlauen behilflich zu sein. Um nicht den Argwohn des Räubers zu wecken, kehrte seine Frau zu ihm zurück. Unterwegs aber streute sie Erbsen, damit die später folgenden Stadtknechte den Weg zur Höhle finden und sich in der Umgebung verbergen konnten.

Nachdem alle Vorbereitungen getroffen, hörten die Lauschenden auch bald das verabredete Zeichen, und als sie durch die Zweige blickten, bemerkten sie Hannchen, die, von dem Räuber gefolgt, aus der Höhle trat. Als dann sein Weib sich auf den Rasen gesetzt hatte, bettete der große Daneil seinen Kopf in Hannchens Schoß, um seine Mittagsruhe zu halten. Sobald er eingeschlafen war, gab seine Frau abermals den Knechten ein Zeichen. Leise schlichen sie näher. Das böse Gewissen aber, welches Daneil um jeden festen Schlaf brachte, ließ ihn auch jetzt auffahren, als er ein leises Knistern der Sträucher vernahm. Schnell sprang er vom Boden empor! Sofort stürzte er seiner Höhle zu und versuchte, sein Weib mit sich zu ziehen. Dieser gab aber die Hoffnung auf baldige Erlösung aus den Händen des Grausamen übermenschliche Kräfte; sie wehrte sich mit aller Macht dagegen.

Wütend, dass Hannchen seiner Rache entkommen war, schloss er mit Gerassel seine Behausung und verrammelte sie ganz und gar. Einer der Hauptleute meinte, man solle den Räuber aushungern; doch erfuhr er bald von Hannchen, dass ein solches Vorhaben sehr langwierig werden müsse, da die Höhle für lange Zeit Speise und Trank berge. Nun war guter Rat teuer. Wirklich brach die Nacht herein, ohne dass man dem Räuber irgend beikommen konnte. Mit großem Behagen verspeiste der sein Abendessen und legte sich dann, nicht gerade viel beunruhigter als gewöhnlich, aufs Ohr, innerlich lachend über die ohnmächtige Wut der lärmenden Menge.

Da machte einer der Hauptleute den Vorschlag, man solle Wasser in die Höhle gießen, um den schlauen Patron zu ertränken. Unzählige Hände rührten sich, um denselben auszuführen, nachdem zuvor eine Öffnung in den Felsen der Decke gebohrt worden war. Doch bald sahen die Arbeitenden das Nutzlose ihrer Bemühungen; denn durch alle Ritzen und Spalten rann die hineingegossene Flüssigkeit wieder fort. Wie konnte man das Wasser in der Höhle halten? Schließlich kam man auf den Gedanken, dass ein Gemisch von Wasser und Erde Erfolg haben müsse. Und um die Wirkung des Schlammes zu erhöhen, wurde aus dem Kloster ein großer Braukessel geholt, ein Feuer vor der Höhle angefacht und mit dem Sieden des Schlammes begonnen. War er kochend, wurde er sofort in die Öffnung gegossen. Die grausige Arbeit erwies sich bald als erfolgreich; das Toben des Räubers, welches anfangs zu den Ohren der Horchenden drang, verstummte. Jetzt wagte man den Eingang zu zersprengen und fand den gefürchteten Räuber tot vor der Tür liegen. Die gerechte, wenn auch grausame Strafe für seine vielen Verbrechen hatte ihn ereilt.

Hannchen aber kehrte zu ihren alten Eltern zurück, die das Glück, ihre totgeglaubte Tochter wieder in ihrer Mitte zu sehen, kaum fassen konnten. Die Zeiten und Menschen, welche diese Vorgänge erlebten, sind längst dahin. Nur die Felsenhöhle im Walde und der Roland auf dem Markt erzählen noch von jenen Tagen.

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Raubgrafenkasten

Der Raubgrafenkasten zu Quedlinburg

Harzwelten

Weit ins graue Altertum hinein verliert sich der Ursprung der Stadt Quedlinburg; denn schon zur Zeit der alten Sachsen stand an der gleichen Stelle ein Dorf, Quitlingen genannt, und die Sachsenherzöge pflegten hier mit Vorliebe des edlen Weidwerks. Noch bevor Heinrich I., der Finkler, zum deutschen König gewählt worden, war schon Quedlinburg sein liebster Aufenthaltsort, dem er auch als König die Treue bewahrte. Hier soll ihm der Sage nach die Krone überbracht worden sein, als er auf dem Finkenherd mit Vogelfang beschäftigt war.

Manch seltsame Kuriosität aus tausendjähriger Geschichte hat sich in Quedlinburg bewahrt: so zum Beispiel ein gedörrtes Menschenhaupt und zwei rechte Hände, denen der Daumen fehlt. Es sollen Überreste von Leichnamen der gegen den Sohn Heinrichs, Kaiser Otto I. Verschworenen sein, welche im Jahre 924 hingerichtet wurden. Weiter finden wir dort höchst interessante alte Waffen, darunter eine Kanone von besonderer Konstruktion, Folterwerkzeuge, Urnen aus den alten Begräbnisplätzen der Sachsen, einen Kodex des Sachsenspiegels sowie einen gewaltigen, solide gezimmerten Holzkasten. Nur eine kleine Tür führt in sein Inneres, durch die sich ein Mensch nur mit großer Not zwängen kann. Von diesem Kasten weiß die Sage eine besondere Bewandtnis.

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Im 14. Jahrhundert war Graf Albert von Reinstein der Schutzvogt von Quedlinburg. Er entstammte einem alten Grafengeschlecht und war es gewohnt, seinen Willen durchzusetzen. Auf das Quedlinburger Krämerpack blickte er höhnisch herab. Das missfiel den stolzen Quedlinburgern, die sich durch immer neue Steuern des »Raubgrafen« gedemütigt fühlten. So kam es zu offener Fehde. In der bezog auch der Bischof von Halberstadt Partei für die Quedlinburger.

Darüber erbittert, besetzten die Grafen von Reinstein die Höhen um Quedlinburg sowie das Kloster Wiperti und die Warte auf der Altenburg, nahmen Bürger gefangen, störten den Handel der Stadt und schadeten derselben, wo sie nur konnten. Die Bürger ihrerseits machten Ausfälle gegen die Reinsteiner, welche meistens siegreich waren. Nun verbanden sich aber die Reinsteiner mit den Grafen von Anhalt, Mansfeld und Hohenstein und bedrängten die Stadt nur um so mehr.

Da beschlossen die Bürger, ein Letztes zu wagen, um sich von diesen Drangsalen zu befreien. Unterstützt von den Mannen des Bischofs brachen sie an einem Sommertag des Jahres 1336 aus der Altstadt hervor und schlugen die Reinsteiner nach einem verzweifelten Kampfe. Graf Albert von Reinstein, der die Bürger besonders hart bedrängte, indem er die Neustadt besetzt hatte, wurde aus dieser verjagt. Er wandte sich zur Flucht und versuchte nach dem Kloster Wiperti zu entkommen. Am Hackelteich aber strauchelte sein Ross und er wurde gefangen genommen und im Triumphzug zum Marktplatz geschafft. Dort sperrte man ihn in den vorsorglich extra angefertigten Holzkäfig. Über ein Jahr hielt man ihn dort gefangen. Die Hansestädte verlangten seine Hinrichtung und verurteilten ihn als einen Störer des Landfriedens; der Kaiser bestätigte dieses Urteil.

Raubgrafenkasten
Illustration von Luise Bussert aus dem Buch „Die schönsten Sagen aus dem Harz“

Dennoch kam es – wohl in letzter Minute – nicht zur Ausführung. Denn Graf Albert erlangte unter der Bedingung seine Begnadigung, dass er der Schutzgerechtigkeit entsagen, die Stadtmauern ausbessern und sieben Türme in derselben erbauen lassen wolle. Das hierüber ausgestellte Dokument enthält die Schlussworte: »Gegeben to Quedlinburg vor der Stadt.« Nach diesem Wortlaut scheint es, als wäre der Graf schon auf den Richtplatz vor die Stadt geführt worden, ehe er sich entschlossen hätte, auf diese Bedingungen einzugehen. Der Kasten aber, worin Raubgraf Albert gefangen saß, seine Streitaxt, Armbrust, Sporen und Feldflasche werden noch heute auf dem Rathaus zu Quedlinburg aufbewahrt.

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Walpurgisnacht

Die Sage von der Walpurgisnacht

In der letzten Aprilnacht findet in jedem Jahr auf dem Brocken, dem Blocksberg, ein schauerliches Spektakel statt: Der Teufel lädt seine Hexen zum Hexensabbat ein. Dann kommen alle Hexen aus dem Lande auf Schürhaken, Heugabeln, Katzenschwänzen, Besenstielen und Ziegenböcken, Butterfässern und Baumstämmen durch die Luft geritten. Die meisten setzen sich rücklings auf ihr Reittier. Einige bestreichen die Besenstiele vorher mit Hexensalbe oder reiben sich selbst damit ein.

»Die Hexen zu dem Brocken ziehn, Die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün. Dort sammelt sich der große Hauf, Herr Urian sitzt obenauf. So geht es über Stein und Stock. Es furzt die Hexe, es stinkt der Bock.« Aus der Gegend um Klausthal und Andreasberg kommen die Hexen in Katzengestalt, sonst meist mit rußigen Gesichtern. Wer am Wolpersabend an einen Kreuzweg kommt, kann viele Hexen sehen, die zum Blocksberg ziehen.

Walpurgisnacht, Hexe
Hexe auf der Walpurgisnacht (Illustration)
Oft guckt ihnen ein Strohwisch als Schwanz aus dem Kleid. Meist hängen ihre Haare offen herunter und gelbe Blitze sprühen aus ihren Augen! Geradezu lästerhaft ist das Spiel der Gebärden. Die wilde Jagd durchsaust die Luft, wenn dann der Fürst der Hölle mit seiner Schar daherfliegt! Schwefliger Gestank umweht ihn. Schwarz wie die Nacht ist Gestalt und Gewandung, aber Feuer speien sie aus dem Rachen und feurigen Schlangen gleich glüht ihr Haar durch die Nacht. Ihre Fittiche erzeugen Sturm, der über das Land hinfährt und Unheil schafft.

Sind alle auf dem Blocksberg beisammen, versammelt sich die Schar um ein loderndes Feuer. Der Teufel steht dann auf der Teufelskanzel, einer Felspartie, die nahe dem Brockenhause liegt, und redet zu den versammelten Hexen, Fledermäusen, Katzen, Schlangen und Molchen. Laut lästert er über Gott und die Engel und unterrichtet die Hexen in höllischen Dingen.

Später knieen alle um den Hexenaltar, und der Teufel besprengt sie mit Wasser aus dem Hexenwaschbecken, worin sie sich alsbald waschen müssen. Dann geben sie alle dem Ziegenbock den Huldigungskuss, und danach wird ein teuflisches Mahl zubereitet. Da werden Pferde gebraten, Maikäfer gesotten und Kröten geschmort. In großen Kesseln brodelt Schmalz. Esel, Hunde und Katzen heulen und miauen, wenn sie in die Nähe der Kessel kommen, denn verwandtschaftlich kommt ihnen der Duft des brutzelnden Fettes vor.

Illustration Ziegenbock, Walpurgisnacht
Illustration Ziegenbock, Walpurgisnacht

Dann wird ein rasender Tanz mit brennenden Fackeln um große Feuer ausgeführt, und gellende Teufelsmusik füllt die Luft. Rundum, rundum, immer wilder geht das Treiben! Gespenster durchtosen den Reigen, Gnome und Erdmännchen gaukeln dazwischen zu tausenden – bis aller Schnee vom Brockengipel fortgetanzt ist. Schlag ein Uhr nachts ist alles vorüber.

Noch heute fürchtet man in den Dörfern des Harzes die erste Mainacht. Wer aber dabei war, der wird bedeutungsvoll in Erinnerung an die tolle Gespensternacht schweigen. Wer selbst nicht mit dabei war, dem ist nichts darüber zu sagen.