Letzte Chance – Ein Schürzenjäger aus Kahla riskiert Leib und Leben und bezahlt dafür den Preis. Ein Buchauszug aus „Entblättert – Große Namen und ihre Liebesabenteuer“ des Autorenduos Christian Hill / Barbara Kösling.
Otto Gräfe war ein berüchtigter Schürzenjäger und machte seine Beute in und um Kahla. Anno 1557 kam auch die Frau des Pfarrers Stephan Riccius wegen Unzucht mit ihm ins Gerede. Sie leugnete die Liebschaft ab, doch das Gerücht blieb. Der Pfarrer glaubte seiner Frau, hatte aber nicht mit der Hartnäckigkeit seiner Gegner in der Gemeinde gerechnet, die ihn schon lange loswerden wollten. Denn nun hieß es obendrein, der Weiberheld Otto Gräfe hätte auch die Tochter des Pfarrers „beschlafen“.
Eine „hochnotpeinliche Befragung“ wurde angestrengt, denn ein Geständnis war Gräfe nicht zu entlocken. Beweise gab es auch nicht, und doch wurde Otto Gräfe in einem Prozess zum Tode verurteilt, Barbara Riccius öffentlich ausgepeitscht, und die Tochter kam ins Kloster. Die Hinrichtung Gräfes war für den 19. April 1558 auf dem Marktplatz von Kahla anberaumt. Wie es das Gesetz verlangte, bekam der Verurteilte eine letzte Chance. Wenn sich eine „unversehrte Maid“ fände, die ihn haben will, könnte die Todesstrafe aufgehoben werden.
„Es war der Otto ein schöner Mensch“, heißt es in der Cählischen Chronica von Matthaeus Gundermann. Eine Magd schrie aus Leibeskräften weithin über den Markt: „Ich nehm‘ ihn, ich nehm‘ ihn!“ Gräfe, der betend im Kreis um den Richtplatz ging, stutzte, schaute zu ihr hin – und bedeutete dann dem Scharfrichter, seine Arbeit zu tun. Er wurde mit dem Schwert enthauptet. Der Pfarrer verzieh seiner Frau, verließ Kahla mit ihr und wirkte noch 30 Jahre erfolgreich in Lissen bei Osterfeld. Warum die Magd nicht mit dem Tod konkurrieren konnte, ist nicht überliefert.