Der Vogelflüsterer

Vorwort aus dem Buch

Mein kleiner Argus. Er war meine Rettung. Erst habe ich ihm das Leben gerettet – und dann er mir. Allein deshalb, weil der Eine im Leben des Anderen auftauchte. Wir haben viel – nein: wir haben Alles füreinander getan. Und nicht nur das. Jeder von uns hatte Botschaften für des Anderen Art. Und die Wichtigste war: Daß wir uns nicht Feind sind.Solange jeder an seinem Platz ist, wo er hingehört, kann er Gutes tun für den Anderen. Die Eulen beschützen unsere Felder und Wälder, unsere Ernten an Getreide und Holz. Geheimnisvolle, schöne Vögel sind es! Und wir Menschen sollten die Eulen beschützen. Indirekte Symbiose könnte man das nennen – aber wir profitieren mehr von der Existenz der Eulen als diese von unserer. Ganz geheuer sind wir uns sowieso nicht. Der Mensch ist zu Vielem fähig – das weiß jedes Tier.

Und wir wissen nicht genau wozu Tiere fähig sind. Gerade die Eulen waren uns über Jahrhunderte suspekt. Im dämonischen Aberglauben als Unglücksboten verschrieen oder als Hexenvögel. So ist es immer wieder: Diese verfluchte Unwissenheit, die aus perfekten Brüdern nicht macht, was zu machen wäre. Das läuft ganz dumm.Gegen Dummheit läßt sich wenig ausrichten. Gegen Unwissenheit aber sehr wohl!

Manchmal bedarf es einer sich unverhofft bietenden Chance, um an echtes Wissen über den Anderen heranzukommen. Diese Chance hatte ich bekommen. Das mag der eine Fügung nennen, der andere Schicksal. Für mich war es mein Leben. – Und nach fast vierzig Jahren Begegnungen mit Wildtieren und Vögeln der verschiedensten Art war es diesmal eine Eule. Greifvögel hatte ich bereits diverse in Pflege. Nun aber – die erste Eule überhaupt! Aber Angst vor dem Neuen kenne ich nicht und etwas dazuzulernen bin ich stets bereit.

Wenn ich geahnt hätte, was diese kleine Eule alsbald für mein Leben bedeuten würde! Doch mich hatten wohl alle drei Affen zugleich gebissen, als ich der kleinen Plüschkugel auf meiner Hand des Adoptionsantrag gemacht habe. Schon im Bewußtsein dessen, daß meinem Antrag stattgegeben werden könnte – aber kaum ahnend, was einem Menschen alles drohen kann, wenn er sich eine Eule zum Kinde wählt. – Und was einer Eule drohen kann, wenn sie sich Menschen als Eltern wählt!

Erziehungsberechtigt war ich ja gewissermaßen. Das aber ist nur das eine. Erziehungsbefähigt zu sein ist etwas ganz Anderes. Und hätte ich nicht in der Vergangenheit in einer abhärtend-präventiven Grundausbildung schon über Wochen und Monate hinweg mit Wildtieren im Walde gehaust und sie betreut und so über Jahrzehnte meine Flüsterfähigkeit gefestigt – dann wäre ich mit dem kleinen Federknäuel ganz sicherlich beizeiten am Rande aller Abgründe gestanden…

So aber kam alles, wie es kommen sollte…