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Die Sage von der Harzburg

Wechselvolle Schicksale sind über die Harzburg dahingezogen. Ihr Glanz währte nur kurze Zeit und heute sind kaum noch spärliche Überreste vorhanden.
Harzsage: Die Harzburg
Illustration Luise Bussert, „Die schönsten Sagen aus dem Harz“

Wechselvolle Schicksale sind über die Harzburg, die einstige Kaiserburg, dahingezogen. Heinrich IV. hat sie errichten lassen – ihr Glanz währte nur kurze Zeit und heute sind kaum noch spärliche Überreste vorhanden.

Als nämlich die Sachsen sich gegen ihren Kaiser empört hatten und mit einem starken Heer gegen Goslar gerückt waren, wo sich Heinrich in seiner Pfalz aufhielt, musste er der Übermacht weichen und floh zunächst nach der festen Harzburg. Aber auch hier war seines Bleibens nicht; die empörten Sachsen bedrängten ihn hart. Er musste endlich die Schleifung seiner Burgen versprechen und bat sich nur aus, man möge wenigstens den Dom auf der Harzburg schonen. Dann entfloh er in finsterer Nacht auf einem Seitenpfade, der ihn durch dichte Waldungen führte, von der Feste.

Heinrichs Bitte wurde nicht erfüllt. Die aufgebrachten Bauern zerstörten alles; der kostbare Dom wurde vernichtet, die Gräber geöffnet und die Gebeine der königlichen Familie umhergestreut. Zwar baute Heinrich später die Burg wieder auf. Als ihn aber gar der Bannstrahl des Papstes traf, wurde auch die Harzburg nochmals zertrümmert. Das Volk aber erzählt sich vom Burgberg die verschiedensten Sagen.

Hier ist es, wo der wilde Jäger, der Hackelberg, am häufigsten und am lautesten und lärmendsten vorbeistürmt. Auch eine weiße Jungfrau lässt sich zuzeiten auf dem Burgberg sehen, und wie im Kyffhäuser sollen auch hier im Innern des Berges der Kaiser Rotbart und andere Edle schlafen.

In den Brunnen auf dem Burgberg, in welchem es oft gewaltig rauscht, soll Heinrich IV. bei seiner Flucht vor den Sachsen die Kaiserkrone geworfen haben. Der Weg, den er genommen hat, soll durch eine Öffnung im Innern des Brunnens in den Wald geführt haben. Ein Verbrecher, der Schöppenstedt hieß, sollte in späterer Zeit seine Vergehen mit dem Tode büßen. Da beschloss man, ihn stattdessen in den Brunnen hinunter zu lassen, damit man erfahre, ob es in demselben wirklich einen Ausweg gäbe. Fände er einen Ausgang und käme er wohlbehalten heraus, so sollte ihm das Leben geschenkt werden.

Gesagt, getan, der Verbrecher wird in den tiefen Brunnen an einem Seil herabgelassen. Und richtig, der Schöppenstedt kommt an eine eiserne Tür, die sich bald auftut; vor ihm erscheint die weiße Jungfrau und sagt, es wäre sein Glück, dass er nicht aus Mutwillen herabgekommen sei. Dann hat sie ihn weiter ins Unterirdische geführt und auf das viele dort in den Gängen liegende Geld gewiesen und gemeint: »Wenn‘t bronswieksche Land mal pankerott wörre, soll dat wedder davon herestellet weren.« Schließlich hat sie den Schöppenstedt den Gang entlang in eine Höhle geführt, wo Kaiser Friedrich Barbarossa und Kaiser Otto beide an einer mit Speisen besetzten Tafel gesessen hätten. Dem einen Kaiser sei der Bart durch den Tisch gewachsen. Ringsumher hätten viele Gold- und Silbergeräte gelegen; auch eine Menge Pferde hätten umhergestanden. Keiner habe ein Wort gesagt, und auch der Schöppenstedt sei lieber stumm geblieben. Zuletzt ist der Gauner an einer Stelle im Walde, die jetzt Schöppenstedtergrund heißt, wieder herausgekommen.

Harzsage: Die Harzburg
Illustration von Luise Bussert aus „Die schönsten Sagen aus dem Harz“

Die weiße Jungfrau soll sich übrigens schon vielen in der Umgegend der Harzburg gezeigt haben, besonders in der Nacht vor Freitag. Deshalb sagt man in der Umgebung: »Die ganze Woche wunderlich, der Freitag ist absunderlich!« Ihr eigentlicher Aufenthaltsort aber ist der Brunnen gewesen. Manchem hat sie Schätze angeboten, wenn er sie erlösen wollte; aber die Leute haben immer Furcht gehabt und sind leider davongelaufen. So wartet sie heute noch auf ihre Erlösung.